Zusammenfassung
Aufgrund der Corona-Pandemie mussten viele Betriebe vorübergehend schließen. Für die Umsatzeinbußen kann die Versicherung aufkommen – doch was, wenn die Betriebsschließungsversicherung nicht zahlt?
Das Wichtigste in Kürze:
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In Zeiten des Coronavirus leidet die Wirtschaft: Viele Unternehmen mussten während des Lockdowns schließen und ihren Betrieb einstellen. Auch wenn die Geschäfte stellenweise wieder geöffnet haben, sind die wirtschaftlichen Einbußen für (Solo-)Selbstständige, Freiberufler und Arbeitgeber wegen Corona gravierend.
Abhilfe schafft eine Betriebsschließungsversicherung bzw. Ertragsausfallversicherung: Sie soll die finanziellen Einbrüche auffangen und das Unternehmen vor einer Insolvenz schützen. Doch viele Versicherungen weigern sich nun, eine Entschädigung für Betriebsschließungen wegen des Coronavirus zu zahlen.
Nach Ansicht der Versicherer greift die Betriebsschließungsversicherung nicht bei einer Allgemeinverfügung oder wenn eine von der Landesregierung erlassene Rechtsverordnung die Rechtsgrundlage bildet. Die Begründung:
Der eigentliche Grund, weshalb Betriebsversicherungen nicht zahlen, kann auch die Angst vor den zu zahlenden Versicherungssummen sein: Es geht um zwei- bis dreistellige Millionenbeträge.
Ein Großteil der Versicherer hat eine Schadensregulierung wegen Corona zunächst abgelehnt. Betriebsinhabern drohten Verluste – denn auch staatliche Maßnahmen wie Soforthilfen, Kurzarbeit oder zinsgünstige Kredite können die wirtschaftlichen (Folge-)Schäden nicht vollständig auffangen.
Nach Protesten der Betroffenen und Kritik von Anwälten schlossen der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern, die bayerische Landesregierung und Teile der Versicherungswirtschaft Anfang April einen Deal: Die Versicherungen erklärten sich bereit, 10 bis 15 % der vereinbarten Tageshöchstentschädigung an die Geschädigten zu zahlen – ohne vorherige Prüfung und für maximal 30 Tage.
Auf Grundlage dieser „Bayerischen Lösung“ teilt sich die Schadenssumme nun fiktiv auf in:
Für die betroffenen Betriebe ist die Bayerische Lösung ein schlechter Deal – denn sie verzichten auf bis zu 90 % der Versicherungsleistung.
Einige Anwälte sind der Meinung, dass die Bayerische Lösung rechtswidrig sei, da die Versicherer ihre Kunden anlässlich des Vergleichsangebotes nicht entsprechend der Anforderungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) informiert haben.
Nein, denn das Kurzarbeitergeld hat keinen Einfluss auf die Versicherung. Versicherungen dürfen die Zahlung des Kurzarbeitergeldes nicht auf die Versicherungsleistung anrechnen – denn in den Versicherungsbedingungen gibt es keine Grundlage für die Anrechnung staatlicher Corona-Hilfsmaßnahmen.
Ebenso wenig sind andere staatliche Hilfen auf die Versicherungsleistung anrechenbar.
Bei einer Betriebsschließung laufen die Kosten für Miete und Personal weiter – obwohl Umsätze und Gewinne einbrechen. Die Kosten zahlt die Betriebsschließungsversicherung – wenn die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Betriebsschließungsversicherung zahlt unter folgenden Voraussetzungen:
Folgende Voraussetzungen müssen im Regelfall gegeben sein, damit bei einer Betriebsschließung ein Versicherungsschutz besteht:
Was genau die Versicherung zahlt, bestimmt sich nach den individuell vereinbarten Versicherungsbedingungen im Versicherungsvertrag.
Typische Leistungen sind:
Nein, als Versicherungsnehmer müssen Sie kein Vergleichsangebot Ihrer Versicherung akzeptieren – und schon gar keine Zahlungsverweigerung.
Ob eine Zahlungspflicht aufseiten der Betriebsschließungsversicherung bei Corona-bedingten Schließungsverfügungen besteht, ist in der Rechtsprechung sehr umstritten.
Es gibt gute Argumente gegen die Auffassung der Versicherer: Im April 2020 hat beispielsweise das Landgericht Mannheim klargestellt: Die Ansprüche gegen die Versicherung sind gerechtfertigt. Eine pauschale Leistungsablehnung ist nach Ansicht der Richter nicht zulässig.
In dem zugrundeliegenden Fall musste die Klägerin mehrere Hotels aufgrund der Beschränkungen schließen. Der Versicherer verweigerte jedoch die Zahlung, da der Betrieb (z. B. mit Lieferdienst der Hotelrestaurants) weiterlaufen könne. Außerdem sei das Coronavirus als Krankheitserreger nicht Teil der Versicherungspolice.
Das Gericht folgte den Argumenten der Versicherung nicht. In seinem Urteil (Az.: 11 O 66/20) bestätigte es, dass
Das Gericht bekräftigte die Seite der Versicherungsnehmer, auch wenn es im konkreten Fall negativ entschied. Dies lag daran, dass der Hotelbetrieb versäumt hat, das Zahlenmaterial für das Gericht nachvollziehbar aufzubereiten. Dennoch haben die Richter den Versicherungen mit ihren formalen Argumenten eine Abfuhr erteilt.
Das Urteil ist daher dennoch eine Hoffnung für Unternehmen, deren Betriebsschließungsversicherung nicht zahlt. Auch andere Gerichte sind der Auffassung des Landgerichts gefolgt:
Es gibt aber auch schon verschiedene Gerichte, welche im Sinne der Versicherer entschieden haben, darunter auch diverse Oberlandesgerichte.
Letztlich wird der Streit erst durch eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH entschieden werden. Bis eine solche Entscheidung vorliegt, können aber noch mehrere Jahre vergehen. Bis dahin lohnt sich jedenfalls ein Vorgehen gegen den Versicherer, wenn dieser Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung ablehnt.
Vorsicht kann auch bei der Bayerischen Lösung sinnvoll sein. Überlegen Sie genau, ob Sie das Angebot Ihrer Versicherung von nur 15 % des eigentlich vereinbarten Tagessatzes annehmen wollen – denn diese Ersatzleistung deckt nur einen Bruchteil der wirtschaftlichen Einbußen ab.
Verändert das Vergleichsangebot den Versicherungsschutz oder hebt ihn sogar für die Zukunft auf, würden Sie nicht nur Ihre Ansprüche, sondern auch den Versicherungsschutz mit dem Vergleich gefährden.
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Ob sich die Auseinandersetzung mit dem Versicherer lohnt, hängt von dem jeweiligen Einzelfall ab, denn die vertraglichen Bedingungen sind in der Versicherungsbranche unterschiedlich formuliert – einen für alle Versicherer einheitlichen Standard gibt es nicht.
Deswegen können Sie zunächst die Versicherungsbedingungen und das Kleingedruckte sorgfältig prüfen. Diese können die Chance bieten, sich gegen die Verweigerungshaltung der Versicherung zur Wehr zu setzen.
Insbesondere kommt es darauf an, ob
Zudem ist relevant, wann die Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen wurde und ob das Coronavirus zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war.
Es kann sich auch dann ein Blick in die Versicherungspolice lohnen, wenn im Vertrag nicht Betriebsschließungsversicherung steht – denn diese Versicherung kann Ihnen auch unter einem anderen Namen angeboten worden sein. So haben Sie möglicherweise einen angemessenen Schutz vor den Gefahren des Coronavirus auch, wenn im Vertrag Betriebsausfallversicherung, Betriebsunterbrechungsversicherung, Praxisausfallversicherung oder Veranstaltungsausfallversicherung steht.
Um kein Risiko einzugehen, können Sie den Versicherungsvertrag von einem Anwalt prüfen lassen. Dieser kann feststellen, ob es der Vertrag hergibt, juristisch gegen den Versicherer vorzugehen. Außerdem kann ein Anwalt prüfen, ob Ihnen z. B. wegen eines insolventen Kunden oder eines Lieferverzuges eines Lieferanten noch weitere Versicherungsleistungen zustehen.
Lässt sich keine außergerichtliche Einigung erzielen, sind gerichtliche Schritte der letzte Weg, wenn die Betriebsschließungsversicherung nicht zahlt. Ein Anwalt für Versicherungsrecht kann die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits mit dem Versicherer einschätzen und Sie so vor einem möglicherweise aussichtslosen und teuren Prozess bewahren.
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Um Ihre Versicherung bei einer Leistungsablehnung zur Zahlung zu verpflichten, können Sie wie folgt vorgehen:
Reagiert die Versicherung auf Ihre Schadensmeldung nicht, können Sie ein Schreiben aufsetzen und sie höflich zur Zahlung auffordern. Setzen Sie im Schreiben eine angemessene Frist, zu der Sie Antwort und Zahlung der Schadenssumme erwarten.
Seien Sie jedoch vorsichtig mit den Angaben, die Sie Ihrem Versicherer zur Verfügung stellen. Gerade bei Betrieben, die individuelle Kostenstrukturen versichert haben, darf keine Position vergessen werden. Im schlimmsten Fall könnten Sie dann Ihre Ansprüche nur teilweise durchsetzen.
Haben Sie vom Versicherer eine ablehnende Entscheidung erhalten, kontaktieren Sie einen Anwalt. Dieser kann einschätzen, ob und wie ein Vorgehen gegen die Entscheidung des Versicherers sinnvoll ist. So kann es manchmal sinnvoll sein, den Versicherer unter Verweis auf die versicherungsnehmerfreundliche Rechtsprechung außergerichtlich zur Zahlung auffordern.
Möglicherweise ist es aber auch ratsam, unmittelbar Klage einzureichen.
Bringen die außergerichtlichen Verhandlungen nicht den gewünschten Erfolg, können Sie gerichtlich gegen die Zahlungsverweigerung vorgehen und beim Zivilgericht Klage einreichen. Bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro ist das Amtsgericht zuständig, bei höheren Summen müssen Sie Klage beim Landgericht einreichen.
Vor dem Landgericht herrscht Anwaltszwang. Sie können sich von einem Anwalt für Versicherungsrecht vertreten lassen – er hat die notwendige Erfahrung, um eine interessengerechte und kompetente Vertretung vor Gericht sicherzustellen. Durch eine geschickte Verhandlungsstrategie kann ein Anwalt Ihre Chancen steigern, die Versicherung zur Zahlung zu bewegen.
Die Kosten für Gericht und Anwalt müssen Sie zunächst selbst auslegen. Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung, kann diese womöglich einen Großteil der Kosten übernehmen – bei einer Niederlage auch die der Gegenseite. Sind Sie sich unsicher, ob Ihre Versicherungspolice die Kosten eines Rechtsstreits abdeckt? Ein advocado Partner-Anwalt kann eine kostenlose Deckungsanfrage für Sie stellen.
Eine Betriebsschließungsversicherung soll den Versicherungsnehmer gegen wirtschaftliche Schäden aufgrund einer unverschuldeten Betriebsschließung bei z. B. einem Brand oder epidemischen Krankheiten absichern.
Was die Versicherung zahlt, hängt von den getroffenen Vereinbarungen im Versicherungsvertrag ab. Muss z. B. ein Mitarbeiter aufgrund des Coronavirus in Quarantäne, übernimmt die Versicherung dessen Lohnkosten. Muss der gesamte Betrieb schließen, zahlt die Versicherung meist einen festgelegten Tagessatz für einen vorab vereinbarten Zeitraum oder die individuell zu berechnenden Kosten des Unternehmens.
Muss z. B. ein Restaurant aufgrund behördlicher Anordnung schließen, kann aber noch außer Haus liefern, kommt es zunächst auf die Versicherungsbedingungen an, ob die Versicherung auch bei einer Teilschließung zahlt.
Es kann sein, dass Versicherungen die Schadensregulierung in der Corona-Krise verweigern. Sie berufen sich z. B. auf das Argument, das Coronavirus sei neu und deshalb nicht durch die Versicherungspolicen abgedeckt. Laut verschiedener Urteile können die Versicherer jedoch grundsätzlich in der Pflicht sein, für die wirtschaftlichen Schäden aufgrund von Betriebsschließungen während der Corona-Krise aufzukommen.
Da ein Großteil der Versicherungen die Schadensregulierung bei Corona verweigert, kann die Unterstützung eines Anwalts sinnvoll sein. Er kann nicht nur die außergerichtlichen Verhandlungen mit der Versicherung übernehmen, sondern auch die Erfolgsaussichten erhöhen, sich gegen die Rechtsabteilung einer Versicherung durchzusetzen.
Als Teil der juristischen Redaktion von advocado strebt Sophie Suske jeden Tag danach, komplexe Rechtsprobleme des Marken- und Versicherungsrechts für jeden Leser verständlich aufzubereiten. Grundlage ihrer lösungsorientierten Arbeit ist ihr Masterstudium der Sprach- und Kommunikationswissenschaft.