Zusammenfassung
Kann eine Person keine Entscheidungen mehr treffen, regelt ein Bevollmächtigter alle wichtigen Angelegenheiten. In Deutschland sind mehr als 2,2 Millionen dieser Vollmachten im Zentralen Vorsorgeregister hinterlegt.
Entsprechende Regelungen können problematisch sein, wenn Bevollmächtigte die Situation zum eigenen Vorteil ausnutzen und nicht im Interesse der betreuten Person handeln. In solchen Fällen lässt sich die Vorsorgevollmacht anfechten.
Auf einen Blick
Kann eine Person nach Unfall oder Krankheit keine eigenen Entscheidungen mehr treffen, wird ihm ein gesetzlicher Betreuer zur Seite gestellt.
Eine Vorsorgevollmacht verhindert ein solches Betreuungsverfahren, indem noch zu Lebzeiten eine nahestehende Person bevollmächtigt wird, im Sinne des Betroffenen zu handeln.
Eine Vorsorgevollmacht kann im Zentralen Vorsorgeregister (ZVR) eingetragen werden, damit sie im Betreuungsfall schnell gefunden wird. Sie ist grundsätzlich formfrei, erfordert also keine Beglaubigung.
Die Betreuungsbehörde oder ein Anwalt für Betreuungsrecht kann die Vollmacht amtlich beglaubigen. Das kann sinnvoll sein, da Ärzte oder Banken nicht beglaubigte Vollmachten in einigen Fällen nicht anerkennen oder anzweifeln.
Alle Befugnisse müssen ausdrücklich aufgezählt sein. Eine Vorsorgevollmacht kann z. B. folgende Aufgabenbereiche umfassen:
Eine Vorsorgevollmacht kann spezielle Aufgabengebiete umfassen oder im Sinne einer Generalvollmacht sämtliche Rechte an den Bevollmächtigten abtreten.
Im Unterschied zur Betreuungsverfügung kann der Bevollmächtigte einer Vorsorgevollmacht alleinige Entscheidungen treffen. Da eine Vorsorgevollmacht eine rechtliche Betreuung vermeiden soll, wird der Bevollmächtigte im Regelfall nicht durch Betreuungsgerichte kontrolliert.
Folgende Ausnahmen bedürfen hingegen gerichtlicher Zustimmung:
Die weitreichenden Rechte der Vollmachtserteilung führen in seltenen Fällen leider zu Missbrauch: Beispielsweise, wenn der Enkel das Konto seiner demenzkranken Großmutter leer räumt, die Tochter das Haus der Mutter auf sich überschreibt oder der Sohn ein Besuchsverbot für seinen gebrechlichen Vater erteilt.
Liegen Hinweise auf einen solchen Missbrauch vor, lässt sich eine Vorsorgevollmacht anfechten.
Der Vollmachtgeber kann seine eigene Vorsorgevollmacht jederzeit widerrufen oder ändern. Voraussetzung ist, dass er geschäftsfähig ist. Das heißt, er muss die Bedeutung und Tragweite von Verträgen und Käufen einschätzen und mit freiem Willen abschließen können.
Diagnostiziert z. B. ein Arzt, dass jemand an Demenz erkrankt ist, ist die Person geschäftsunfähig. In einem Betreuungsverfahren wird die Geschäftsunfähigkeit einer Person grundsätzlich durch einen Sachverständigen festgestellt.
Ist das Vertrauen in die bevollmächtigte Person gebrochen, weil man z. B. geschieden wurde, lässt sich die Vorsorgevollmacht widerrufen. Das ist sehr wichtig, da die Vollmacht bereits mit dem Erhalt der Vollmachtsurkunde rechtskräftig ist und damit missbraucht werden kann.
Zudem können Sie verhindern, dass der von Ihnen Bevollmächtigte eine Untervollmacht ausstellen kann. Dann hat nämlich eine andere, möglicherweise fremde Person sämtliche Befugnisse. Erstgespräch vereinbaren & Vorsorgevollmacht gegen Missbrauch absichern.
Dritte können eine Vorsorgevollmacht grundsätzlich nicht anfechten, da es beim Vollmachtgeber selbst liegt, wen er bevollmächtigt. Das Gericht ist verpflichtet, sich nach den Wünschen des Vollmachtgebers zu richten.
Allerdings kann sich das Gericht in Ausnahmefällen über eine Vorsorgevollmacht hinwegsetzen. Wenn das Wohl des Betroffenen gefährdet ist, kann es zu seinem Schutz einen gerichtlichen Betreuer einsetzen.
Eine Anfechtung ist in diesen Fällen möglich:
Bei erheblichen Zweifeln entsteht ein Überwachungsbedarf, dem das Gericht nachgehen muss. Diese Vorbehalte muss das Gericht zweifelsfrei beweisen, damit die Vorsorgevollmacht ungültig und ein gesetzlicher Betreuer eingesetzt wird.
Zweifel an der Redlichkeit können aus folgenden Gründen entstehen:
Das gilt auch für den Fall, dass der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht nicht mehr selbst widerrufen kann, weil er geschäftsunfähig ist. Dann muss ein Kontrollbetreuer vom Gericht bestellt werden (OLG Karlsruhe, Az. 19 U 124/09).
In einem konkreten Fall klagte die ehemalige Mitarbeiterin einer Betroffenen gegen die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers, obwohl sie eine Vorsorgevollmacht vorweisen konnte.
Das Gericht wies die Klage ab, weil es vermutete, dass die ehemalige Mitarbeiterin die Vollmacht missbrauchte. Sie hatte nicht nur die Konten der Betroffenen aufgelöst und um 180.000 Euro erleichtert, sondern die Betroffene auch aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Az. 3Z BR 242/02).
In einem anderen Fall verhängte die Mutter eines volljährigen Sohnes, der auf einer Intensivstation behandelt wurde, ein Besuchsverbot gegen den Vater. Das Amtsgericht Ellwangen entschied, dass die Mutter trotz Vorsorgevollmacht nicht im Sinne ihres Sohns handelte. Mittels einstweiliger Verfügung gegen die Mutter konnte der Vater sein Besuchsrecht durchsetzen (Az. 2 C 221/14).
Ist die Versorgung einer Person durch eine Vorsorgevollmacht geregelt, sind Gerichte an diese Entscheidung gebunden. Eine gerichtlich angeordnete Kontrollbetreuung durch einen gesetzlichen Betreuer scheidet im Normalfall aus (BGH XII ZB 537/10). Sie darf nur eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist.
In folgenden Fällen ist die Anfechtung einer Vorsorgevollmacht nicht möglich:
Der Bundesgerichtshof entschied jedoch in einem Streit zwischen zwei Geschwistern über die Betreuung ihrer Mutter: Kommt es zwischen mehreren Einzelbevollmächtigten zum Streit, kann ein Gericht eine rechtliche Betreuung anordnen – trotz gültiger Vorsorgevollmacht (BGH Az. XII ZB 671/12).
Im Zweifelsfall bleibt es eine Einzelfallentscheidung der Gerichte.
Grundsätzlich kann jeder eine Vorsorgevollmacht anfechten: Nachbarn und Angehörige, aber auch Pflegepersonal und Ärzte. Für ein rechtliches Vorgehen ist das Betreuungsgericht einzuschalten und eine rechtliche Betreuung anzuregen. Einen Antrag gibt es nicht, die Anregung erfolgt formlos.
Vermutet man, dass eine Vorsorgevollmacht missbraucht wird, sollte man nicht direkt die rechtliche Betreuung anregen. Die Anregung sollte von neutraler, dritter Stelle kommen, da Ihnen ansonsten unterstellt werden könnte, dass Sie sich selbst bereichern möchten.
Ein erfahrener und spezialisierter Anwalt bietet sich hier an. Erstgespräch vereinbaren & Vorsorgevollmacht anfechten.
Das Gericht prüft in einer Anhörung, ob der Vollmachtgeber geschäftsfähig war, als er die Vorsorgevollmacht erstellt hat.
Bei der Entscheidung wird Folgendes berücksichtigt:
Zudem versucht der Richter, sich einen persönlichen Eindruck vom Geschehen zu verschaffen, indem er den Betroffenen zuhause besucht.
Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung bereits geschäftsunfähig war, ist die Vollmacht unwirksam und das Gericht bestellt einen rechtlichen Betreuer.
Bestätigen sich erhebliche Zweifel an der bevollmächtigten Person, hat das Gericht zwei Optionen:
Das ist notwendig, wenn der Bevollmächtigte mit seinen Aufgaben überfordert ist oder es um hohe Vermögenswerte geht. Es müssen keine Anhaltspunkte für Missbrauch bestehen.
Besteht die Gefahr, dass der Bevollmächtigte die Vollmacht nicht herausgibt und sie weiter zu seinen Gunsten verwendet, ist die Vorsorgevollmacht vom Gericht in einem Verfahren als kraftlos zu erklären.
Insbesondere bei Bankvollmachten kann der Bevollmächtigte über das Vermögen des Betroffenen verfügen und sich daran bereichern.
Liegt der Betroffene im Koma oder ist dement, kann er die Vollmacht nicht mehr selbst widerrufen – hier sollte schnellstmöglich gehandelt werden. Ein Anwalt kann Ihnen helfen, die notwendigen juristischen Schritte einzuleiten, um den Missbrauch zu stoppen.
Sie möchten eine Vorsorgevollmacht anfechten? Kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Erstgespräch mit einem unserer spezialisierten Anwälte. Schildern Sie bitte hier Ihr Anliegen.
Um eine Vorsorgevollmacht anzufechten, wenden sich Betroffene an das Betreuungsgericht und regen mündlich oder schriftlich eine rechtliche Betreuung für die betroffene Person an.
Die Anregung sollte – soweit bekannt – folgende Angaben enthalten:
Das anschließende Verfahren kann mehrere Monate in Anspruch nehmen.
Da sich eine Vorsorgevollmacht nur unter ganz bestimmten Umständen anfechten lässt, sollten Sie keinesfalls ohne einen Anwalt dagegen vorgehen. Ein Anwalt für Betreuungsrecht weiß, wie Prozesse vor Betreuungsgerichten ablaufen und wie Betroffene vorgehen müssen.
Er kann eine rechtliche Betreuung anregen, wenn Sie vermuten, dass jemand die Vorsorgevollmacht Ihres Angehörigen missbraucht. Sie selbst sollten eine gerichtliche Betreuung im Zweifelsfall nicht anregen, um nicht mit dem Vorwurf der Habsucht beschuldigt zu werden.
Wenn Sie eine Vorsorgevollmacht anfechten möchten, kann ein Anwalt zudem folgende Aufgaben übernehmen:
Unserem spezialisierten Anwalt für Betreuungsrecht können Sie hier unverbindlich Ihr Anliegen schildern.
Sofern nicht anders vereinbart, endet eine Vorsorgevollmacht nicht mit dem Tod des Vollmachtgebers. Eine transmortale Vollmacht gilt bereits zu Lebzeiten und über den Tod hinaus.
Eine postmortale Vorsorgevollmacht wird erst nach dem Tod des Vollmachtgebers wirksam. Sie erlaubt dem Bevollmächtigten, sich um Rechnungen zu kümmern und die Beerdigung des Verstorbenen zu organisieren.
Nach dem Tod eines Vollmachtgebers kommt es häufig zum Streit zwischen dem Bevollmächtigten und den Erben des Vollmachtgebers. Der Vorwurf lautet dann, der Bevollmächtigte habe Geld unterschlagen oder Erbschleicherei betrieben.
Hat der Bevollmächtigte z. B. Geld für den Erblasser von dessen Konto abgehoben, muss er beweisen, dass er es dem Erblasser tatsächlich gegeben oder weisungsgemäß für ihn verwendet hat.
Gibt es weitere Miterben oder gehört der Bevollmächtigte überhaupt nicht zum Kreis der Erben, können Probleme auftreten. Streit kommt z. B. auf, wenn ein Mitglied einer Erbengemeinschaft unzufrieden damit ist, wie der Bevollmächtigte die Geschäfte des Vollmachtgebers geführt hat.
In einem solchen Fall gilt Folgendes:
Die meisten erbrechtlichen Folgeprozesse lassen sich durch eine qualifizierte Rechtsberatung vermeiden. Mögliche Schadensersatzforderungen muss der Bevollmächtigte ohne eine Vermögenshaftpflicht aus eigener Tasche bezahlen.
Unser Anwalt erläutert Ihnen im kostenlosen Erstgespräch das mögliche Vorgehen.
Als Teil der juristischen Redaktion von advocado strebt Sophie Suske jeden Tag danach, komplexe Rechtsprobleme des Marken- und Versicherungsrechts für jeden Leser verständlich aufzubereiten. Grundlage ihrer lösungsorientierten Arbeit ist ihr Masterstudium der Sprach- und Kommunikationswissenschaft.