Manchmal wollen Eltern schon zu Lebzeiten einen Teil ihres Vermögens auf ihre Kinder übertragen – die vorweggenommene Erbfolge macht das möglich. Was Sie bei einer vorweggenommenen Erbfolge beachten müssen, welche Steuern fällig werden können und wie sich eine Schenkung auf das Erbe auswirkt, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.
Eine vorweggenommene Erbfolge ist eine Vermögensübertragung an Angehörige oder zukünftige Erben zu Lebzeiten. So können beispielsweise Eltern ihren Kindern bereits vor ihrem Tod einen Teil ihres Vermögens überlassen – welches den Kindern im Erbfall ohnehin zugestanden hätte. Wie der Name schon verrät: Die Erbfolge wird vorweggenommen.
Mit einer vorweggenommenen Erbfolge können Erblasser in finanzielle Not geratenen Familienmitgliedern helfen, Erbschaftssteuern umgehen oder einen künftigen Erbstreit verhindern. Außerdem hat der Erblasser die Kontrolle darüber, wer sein Erbe erhält. Eltern entscheiden somit, ob sie eines ihrer Kinder beim Erbe begünstigen oder alle Kinder gleichberechtigt behandeln.
Vorweggenommene Erbfolgen können zum Beispiel durch Übergaben vollzogen werden. Bei diesen werden üblicherweise Grundstücke an Nachkommen übertragen. Erblasser können dabei vertraglich festlegen, ob sie Gegenleistungen von den Begünstigten erwarten. Den Erben steht es frei, die Übergabe anzunehmen oder abzulehnen – bei Annahme verpflichten sie sich aber, die festgelegten Gegenleistungen auszuführen. Eine häufige Form der vorweggenommenen Erbfolge ist die Schenkung. Bei dieser fallen jedoch Steuern an – die sogenannte Schenkungssteuer. Was genau es damit auf sich hat und was Sie auf beachten müssen, erfahren Sie im folgenden Abschnitt.
Auf Schenkungen kann eine Schenkungssteuer anfallen. Bei dieser handelt es sich letztendlich um eine Steuer auf ein Erbe, das im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge bereits zu Lebzeiten ausgezahlt wurde. Der Gesetzgeber sieht bei der Schenkungssteuer einen Freibetrag vor, der steuerfrei bleibt. Alles darüber hinaus ist jedoch zu versteuern. Grundsätzlich lässt sich aber feststellen, dass eine Schenkung zu Lebzeiten Gestaltungsspielraum bei der Umgehung der Erbschaftssteuer bietet.
Wie hoch der Freibetrag ausfällt, ist nicht nur von der Steuerklasse, sondern auch vom jeweiligen Verwandtschaftsgrad abhängig. Folgende Beträge dürfen die jeweiligen Personengruppen alle zehn Jahre erneut ausschöpfen:
Wird der Steuerfreibetrag innerhalb der zehnjährigen Frist überschritten, so ist die Schenkungssteuer zu entrichten. Diese errechnet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zum zukünftigen Erblasser. Prinzipiell gilt: je weiter entfernt der Verwandtschaftsgrad, desto höher fällt der Steuersatz aus. Ein Rechtsanwalt für Erbrecht kann Ihnen hier nähere Auskunft geben.
Der nachfolgenden Tabelle sind die prozentualen Steuersätze zu entnehmen, die bei der Überschreitung des Freibetrags für eine Schenkung anfallen können:
Höhe des Erbes |
Steuerklasse I |
Steuerklasse II |
Steuerklasse III |
Bis zu 75.000 € |
7 % |
15 % |
30 % |
Bis zu 300.000 € |
11 % |
20 % |
30 % |
Bis zu 600.000 € |
15 % |
25 % |
30 % |
Bis zu 6.000.000 € |
19 % |
30 % |
30 % |
Bis zu 13.000.000 € |
23 % |
35 % |
50 % |
Bis zu 26.000.000 € |
27 % |
40 % |
50 % |
Mehr als 26.000.000 € |
30 % |
43 % |
50 % |
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Die Steuerzahlung kann beispielsweise umgangen werden, indem die Schenkung nicht über den oben erwähnten Freibetrag hinausgeht. Daneben gibt es aber auch noch weitere Gestaltungsmöglichkeiten: Wollen Großeltern ihren Enkelkindern eine Freude machen und ihnen eine gewisse Summe an Geld schenken, so stellen sie sicher fest, dass der Schenkungssteuerfreibetrag für Enkel sehr viel geringer ist als der für nähere Verwandte. Eine sogenannte Kettenschenkung könnte in diesem Fall helfen. Hierbei schenken die Großeltern nicht den Enkelkindern einen Geldbetrag, sondern zuerst ihren eigenen Kindern. Diese wiederum können dann ihren Kindern die Zuwendung schenken. Dadurch würde der Freibetrag höher ausfallen.
Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit für die vorweggenommene Erbfolge ist die sogenannte Gelegenheitsschenkung. Auf diese Variante kann zurückgegriffen werden, wenn der Steuerfreibetrag bereits ausgeschöpft wurde. Es handelt sich hierbei um Zuwendungen, die in Bezug auf den Wert als auch hinsichtlich des Anlasses allgemein üblich sind. Eine Gelegenheitsgeschenk kann z. B. ein Auto oder ein Schmuckstück zu einem entsprechenden Anlass sein. Damit solche Geschenke dem Freibetrag nicht zugerechnet und damit nicht steuerpflichtig werden, muss es einen wichtigen Grund für diese Zuwendung geben.
Folgende Gründe sind dabei denkbar:
Außerdem darf der Wert des Geschenkes einen bestimmten Betrag nicht überschreiten. Der Betrag wird dabei im Verhältnis zum Gesamtvermögen des Schenkenden betrachtet.
Gelegenheitsgeschenke sind gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 14 des Erbschaftssteuergesetzes steuerfrei.
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Alle Schenkungen der vergangenen zehn Jahre – also auch die der vorweggenommenen Erbfolge – werden auf das Erbe angerechnet, wenn es um den Pflichtteil geht. Der Pflichtteil ist eine Mindestbeteiligung am Erbe von engen Angehörigen, die enterbt wurden oder zu wenig vererbt bekamen. Wurden Schenkungen getätigt, haben diese Personen neben dem Pflichtteils- auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Beitrag zum Pflichtteilergänzungsanspruch.
Bei der Anrechnung wird zunächst der Wert der anrechnungspflichtigen Zuwendungen dem Nachlass des Erblassers hinzugerechnet und danach erst die Pflichtteile der Berechtigten errechnet. Von diesem Betrag wird dann der begünstigten Person der Zuwendungsbetrag abgezogen. Schenkungen können deshalb dazu führen, dass der Pflichtteil enterbter Personen höher ausfällt.
Der Bundesgerichtshof urteilte 2010 allerdings gegen die gesetzliche Anrechnung. Im Fall IV ZR 91/09 wurde bestimmt, dass dem Willen des Erblassers zu folgen sei und Schenkungen nicht auf den Pflichtteil angerechnet werden sollen. Aufgrund der ambivalenten Entscheidungsfällung kann es sinnvoll sein, vorab einen Anwalt zu kontaktieren und Fragen zur Anrechnung zu klären.
Es kann vorkommen, dass Geschwister zu Lebzeiten der Eltern zu unterschiedlichen Teilen mit Vermögen bedacht wurden. Damit kein gesetzlicher Erbe durch die ungleiche vorweggenommene Erbfolge vernachlässigt wird, bestimmt § 2050 BGB hier eine Ausgleichspflicht für Abkömmlinge.
Haben Kinder zu Lebzeiten eine finanzielle oder materielle Zuwendung erhalten, so müssen diese im Erbfall auf den Nachlass angerechnet werden, um für die anderen Geschwister einen entsprechenden Ausgleich berechnen zu können. Die Ausgleichspflicht besteht allerdings nur dann, wenn nichts Gegenteiliges vom Erblasser angeordnet wurde. Wurde ein Kind mit einer höheren Übertragung bedacht als andere, kann also von den Eltern bestimmt werden, dass das begünstigte Kind keine Ausgleichspflicht gegenüber seinen Geschwistern hat.
Schenkungen zu Lebzeiten werden hingegen nicht in die Ausgleichsberechnung mit einbezogen – es sei denn der Erblasser hat es ausdrücklich so gewollt.
Durch eine vorweggenommene Erbfolge können Teile eines Vermögens noch zu Lebzeiten kontrolliert auf Erben übertragen werden. Um dabei eine Versteuerung der Zuwendungen zu vermeiden, kann der Freibetrag für Schenkungen eingehalten werden. Außerdem können Ausgleichspflichten und Anrechnungen auf den Pflichtteil auf Erben zukommen. Ob die vorweggenommene Erbfolge für Sie die richtige Option ist, kann ein Anwalt beurteilen.
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