Ist eine Person verstorben und hat bestimmte Familienangehörige nicht in seinem Testament berücksichtigt, bedeutet das nicht, dass diese völlig leer ausgehen. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen zum Pflichtteil kann ihnen ein gesetzlicher Anteil am Nachlass zustehen. Ihren Pflichtteil einfordern können die berechtigten Personen dann bei den Erben des Verstorbenen. Unter welchen Voraussetzungen eine Einforderung möglich und erfolgreich sein kann, was getan werden kann, wenn der Erbe seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, und welche Kosten dabei entstehen können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
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Wer einen Pflichtteil einfordern will, muss als Pflichtteilsberechtigter enterbt oder mit einem zu geringen Erbteil bedacht worden sein – dann liegt ein Pflichtteilsanspruch vor. Dieser darf allerdings noch nicht verjährt sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Berechtigte beim Erben seinen Pflichtteil einfordern. Verweigert dieser die Auszahlung oder zahlt zu wenig, können weitere juristische Schritte notwendig sein.
Wollte man den Pflichtteil einfordern und ist der Erbe seiner Pflicht zur Auszahlung nicht nachgekommen, kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Anteil am Erbe einklagen. Bei Erfolg sind alle dabei anfallenden Kosten vom Erben zu tragen.
Einzelheiten zur Pflichtteilsberechtigung, wichtigen Verjährungsfristen und zur genauen Vorgehensweise, wenn sie einen Pflichtteil einfordern wollen, erklären wir Ihnen in den folgenden Kapiteln.
Der Pflichtteil am Erbe kann prinzipiell nur dann eingefordert werden, wenn eine Pflichtteilsberechtigung vorliegt. Gemäß § 2303 BGB steht diese folgenden Angehörigen des Erblassers im Falle einer Enterbung oder eines zu geringen Erbteils zu:
Existieren mehrere Pflichtteilsberechtigte, heißt das nicht, dass alle auch einen Pflichtteilsanspruch haben und ihren Pflichtteil einfordern können. Eine Art Rangfolge regelt hier den konkreten Anspruch: Direkte Abkömmlinge wie Kinder und Enkelkinder haben ein Vorrecht gegenüber weiter entfernten Pflichtteilsberechtigten. So können z. B. die Eltern nur dann einen Pflichtteil einfordern, wenn der Erblasser keine Kinder hinterlassen hat.
Der hinterbliebene Ehe- bzw. eingetragene Lebenspartner hat eine Sonderstellung und kann seinen Pflichtteil immer einfordern.
Weiterführende Informationen zur Pflichtteilsberechtigung, der Berechnung des Pflichtteils und einen Pflichtteilsrechner finden Sie in unserem Beitrag Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Damit Pflichtteilsberechtigte Ihren Pflichtteil einfordern können, darf der Anspruch noch nicht verjährt sein.
Nach der gesetzlichen Verjährungsfrist kann die Pflichtteilseinforderung nur innerhalb von drei Jahren nach Kenntnis über
erfolgen. Die Frist beginnt immer am Ende des entsprechenden Jahres. Ist der Erblasser z. B. im November 2010 verstorben und hat der Pflichtteilsberechtigte erst im März 2011 von seiner Enterbung erfahren, setzt die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2011 ein und endet am 31. Dezember 2014.
Weitere Informationen zur Verjährungsfrist, wichtigen Sonderregelungen und einen praktischen Verjährungsrechner finden Sie in unserem Beitrag zur Pflichtteil-Verjährung.
Den Pflichtteil einfordern kann man nur, wenn keine Pflichtteilsstrafklauseln vorliegen. Solche kommen in der Regel in Ehegattentestamenten wie dem Berliner Testament vor.
Dafür setzen sich die Ehe- oder eingetragenen Lebenspartner im Testament als Alleinerben ein – gemeinsame Kinder erhalten ihren Anteil am Nachlass erst dann, wenn beide Partner verstorben sind. Folglich sind die Kinder als gesetzliche Erben im ersten Erbfall enterbt und haben einen Pflichtteilsanspruch.
Mithilfe der Pflichtteilsstrafklausel soll in einem solchen Fall verhindert werden, dass der Pflichtteilsanspruch gegen den länger lebenden Partner durchgesetzt wird – so er vor einer etwaigen finanziellen Notlage geschützt wird.
Macht ein Berechtigter seinen Pflichtteilsanspruch trotz Vorliegen einer Strafklausel geltend, droht die vollständige Enterbung. Derjenige erhält dann auch im zweiten Erbfall nur den gesetzlichen Pflichtteil – auch wenn er ohne Pflichtteilseinforderung viel mehr geerbt hätte.
Umfassendere Informationen zu Pflichtteilsstrafklauseln, möglichen Konsequenzen und viele nützliche Hinweise finden Sie in unserem Beitrag zu Pflichtteilsstrafklauseln. Was speziell bei Vorliegen eines Berliner Testaments beachtet werden muss und welche genauen Auswirkungen Pflichtteilsstrafklauseln hier haben, erklären wir Ihnen in unserem Beitrag Berliner Testament & Pflichtteil.
Wenn alle erläuterten Voraussetzungen erfüllt worden, kann man den Pflichtteil einfordern. Für einen reibungslosen Ablauf kann folgende Schrittfolge eingehalten werden:
Ausführlichere Informationen dazu, wie ein Nachlassverzeichnis aufzustellen ist, welche formalen und inhaltlichen Anforderungen damit verbunden sind und welche Kosten bei dessen Erstellung entstehen können, erläutern wir Ihnen in unserem Beitrag zum Nachlassverzeichnis.
Ein advocado Partner-Anwalt erläutert Ihnen in einer kostenlosen Ersteinschätzung das mögliche Vorgehen.
Wollte der Berechtigte den Pflichtteil einfordern, kann es vorkommen, dass der Erbe
Bestehen Zahlungsschwierigkeiten, kann der Erbe gemäß § 2331 BGB die Stundung der Pflichtteilszahlung beim zuständigen Nachlassgericht beantragen. Der Pflichtteilsberechtigte muss dann mit einer längeren Wartezeit rechnen.
Liegen demgegenüber keine sachlichen Gründe für eine Verweigerung vor und zahlt der Erbe aus Böswilligkeit nicht, können juristische Schritte eingeleitet werden, um den Pflichtteil einfordern zu können. Entscheidet sich der Pflichtteilsberechtigte für die Hinzuziehung eines Anwalts, kann dieser den Erben auf seine Zahlungspflicht hinweisen und mit gerichtlichen Schritten drohen. Weigert sich der Erbe weiterhin, kann nur der Weg in eine zivilrechtliche Klage bleiben. In diesem Fall muss unter Berücksichtigung der Verjährungsfrist Klage beim zuständigen Nachlassgericht eingereicht werden. Bei Erfolg muss der Erbe nicht nur den Pflichtteil auszahlen, sondern auch sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten erstatten.
Umfassendere Informationen zur Pflichtteilsklage, ihrem Ablauf und wichtigen Voraussetzungen entnehmen Sie unserem Beitrag zum Thema Pflichtteil einklagen. Welche Inhalte eine Klageschrift haben sollte, wo sie genau einzureichen ist und welche Kosten damit verbunden sind, erfahren Sie in unserem Beitrag Klage einreichen.
Sollte der Erbe der Zahlungsaufforderung des Gerichts nicht folgen, kann dieses eine Zwangsvollstreckung anordnen. Der Pflichtteilsberechtigte verfügt dann über einen Vollstreckungstitel und kann einen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung des Pflichtteils beauftragen.
Wenn ein Anspruch vorliegt und der Berechtigte seinen Pflichtteil einfordern kann, bedeutet das nicht automatisch, dass der Erbe auch zahlt. Wurde z. B. von einem zu hohen Pflichtteil ausgegangen, könnte der Erbe die Auszahlung verweigern. Die Gefahr eines zu geringen Pflichtteils besteht dem gegenüber dann, wenn dessen Berechnung ein fehlerhaftes oder unvollständiges Nachlassverzeichnis zugrunde gelegt wurde. Gibt es zudem zwischenmenschliche Probleme zwischen Pflichtteilsberechtigtem und Erben, können diese eine außergerichtliche Einigung von vornherein unmöglich machen – eine gerichtliche Auseinandersetzung wäre ggf. dann die Folge.
Ein Anwalt für Erbrecht kann Sie dabei unterstützen, fristgerecht und rechtssicher einen Pflichtteil einzufordern. Durch eine passende juristische Strategie und eine angemessene Verhandlungstaktik kann er zudem eine schnelle außergerichtliche Einigung mit dem Erben erreichen – oder Sie und Ihre Interessen im Rahmen einer Gerichtsverhandlung konsequent und zielorientiert unterstützen. Dabei kann er u. a. folgende Aufgaben übernehmen:
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Ist keine einvernehmliche Einigung mit dem Erben in Sicht und muss der Pflichtteilsberechtigte mit anwaltlicher Unterstützung den Pflichtteil einfordern, entstehen Anwaltskosten. Muss darüber hinaus eine Pflichtteilsklage eingereicht werden, fallen zusätzlich Gerichtskosten an.
Mögliche Anwaltskosten sind im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt oder können individuell mit Ihrem Anwalt im Rahmen einer Honorarvereinbarung vereinbart werden. Gerichtskosten sind abhängig vom Streitwert – der konkreten Höhe des Pflichtteils – und werden auf Grundlage des Gerichtskostengesetzes (GKG) berechnet. Die anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten für Ihren Fall lassen sich beispielsweise mit einem Prozesskostenrechner bestimmen.
Wir haben Ihnen hier einige Anwalts- und Gerichtskosten für verschiedene Streitwerte zusammengestellt. Von diesen auf den ersten Blick vielleicht hohen Kosten sollten Sie sich allerdings nicht abschrecken lassen – Sie lassen sich vermeiden. Wie das geht, erklären wir Ihnen in Kapitel 6 – Alternative ohne Kostenrisiko – erfolgsabhängige Vergütung.
Pflichtteilshöhe |
Außergerichtliche Kosten |
Gerichtliche Kosten |
5.000 € |
1.033,40 € |
2.288,46 € |
10.000 € |
1.883,06 € |
4.090,70 € |
25.000 € |
2.649,42 € |
5.849,20 € |
100.000 € |
5.031,80 € |
12.068,46 € |
Anwalts- und Gerichtskosten, die bei der Einforderung des Pflichtteils entstehen können, lassen sich durch verschiedene Möglichkeiten reduzieren:
In Abhängigkeit von der Höhe des Pflichtteils können sehr hohe Anwalts- und Gerichtskosten für die Einforderung des Pflichtteils entstehen. Damit Sie aber nicht auf Ihr Recht verzichten müssen und Ihren Pflichtteil einfordern können, obwohl Sie
können Sie eine Prozesskostenfinanzierung in Erwägung ziehen. Der Finanzierer übernimmt dabei sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten und wird – nur im Erfolgsfall – anteilig an der Pflichtteilsauszahlung beteiligt. Ihnen entstehen also erst dann Kosten, wenn Sie Ihren Pflichtteil erfolgreich durchgesetzt haben.
Besteht ein Pflichtteilsanspruch, kann der Berechtigte seinen Pflichtteil einfordern. Mithilfe eines Anwalts kann sichergestellt werden, dass der Berechnung ein fehlerfreies Nachlassverzeichnis zugrunde liegt, keinerlei Pflichtteilsstrafklauseln den Anspruch gefährden und dieser nicht verjährt ist. Außerdem kann er gewährleisten, dass alle gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die Einforderung des Pflichtteilsanspruchs beachtet werden. Wenn der Erbe in Zahlungsschwierigkeiten steckt oder sich aufgrund persönlicher Differenzen weigert, den Pflichtteil auszuzahlen, kann ein Anwalt außerdem eine geeignete Strategie zur schnellen und unkomplizierten Geltendmachung Ihres Pflichtteils entwickeln und so dazu beitragen, dass Ihnen dieser schnell und unkompliziert ausgezahlt wird.
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Patricia Bauer findet als Mitglied der juristischen Redaktion von advocado praktische Lösungen für Ihre Rechtsprobleme. Durch ein Jurastudium kann sie auf umfangreiches Fachwissen aus Erb-, Vertrags- und Markenrecht zurückgreifen und komplexe juristische Sachverhalte leicht verständlich und lösungsorientiert aufbereiten.