1. Erben Geschwister nach der gesetzlichen Erbfolge?
Ist kein Testament oder Erbvertrag vorhanden, greift die gesetzliche Erbfolge. Laut dieser erben ausschließlich Personen, die mit dem Erblasser verwandt sind. Dabei gilt: Je enger das Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen, desto eher erfolgt eine Beteiligung der jeweiligen Person am Erbe. In erster Linie werden daher die Kinder sowie der Ehe- oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers berücksichtigt.
Das erbrechtliche Ordnungssystem des Gesetzgebers sorgt dafür, dass nicht alle Verwandten gleichzeitig die gesetzliche Erbfolge antreten. Es unterteilt gemäß § 1924 ff. BGB in Erben 1., 2. und 3. Ordnung. Erben sind vorrangig die Verwandten der 1. Ordnung.
Zu den Erben 1. Ordnung gehören die direkten Abkömmlinge des Erblassers. Erben 2. Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Zur 3. Ordnung gehören die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
- Erben 1. Ordnung: Kinder, Enkel, Urenkel des Erblassers
- Erben 2. Ordnung: Eltern, Geschwister
- Erben 3. Ordnung: Großeltern, Tanten, Onkel
2. Haben Geschwister einen Anspruch auf den Pflichtteil?
Nein. Da Geschwister nicht zu den direkten Abkömmlingen des Erblassers zählen, haben sie trotz des nahen Verwandtschaftsgrades keinen Pflichtteilsanspruch am Nachlass des Bruders oder der Schwester.
Sind Geschwister also per Testament explizit enterbt worden, gehen sie leer aus. Neben Geschwistern sind auch entfernte Verwandte oder Freunde des Verstorbenen nicht pflichtteilsberechtigt.
3. Können Geschwister nach gesetzlicher Erbfolge dennoch erben?
Ja. Auch wenn ein Pflichtteil für Geschwister nicht vorgesehen ist, können sie dennoch über die gesetzliche Erbfolge an einen Teil des Erbes des verstorbenen Bruders oder der verstorbenen Schwester gelangen. Demnach sind Geschwister Erben 2. Ordnung und erben per Gesetz aber nur, wenn keine Erben 1. Ordnung existieren und ein Elternteil bereits verstorben sind.
Im deutschen Erbrecht gilt nämlich das Repräsentationsprinzip, wodurch die Eltern des Erblassers ein Vorrecht auf den Nachlass haben. Der Repräsentant eines Stammes schließt alle anderen potentiellen Erben des gleichen Stammes – d. h. die Geschwister des Verstorbenen – von der Erbfolge aus.
Daher erben Geschwister nur, wenn auch ein Elternteil schon verstorben sind.
Prinzipiell haben Geschwister also nur ein Anrecht am Erbe, wenn:
- keine Erben 1. Ordnung existieren (Ehepartner, Kinder, Enkel, Urenkel des Erblassers) und
- ein Elternteil bereits verstorben ist.
4. Wie hoch fällt das gesetzliche Erbe für Geschwister aus?
Liegt kein Testament vor, greift die gesetzliche Erbfolge. Sind keine Erben 1. Ordnung vorhanden und auch alle weiteren Voraussetzungen gegeben, können Geschwister Erben werden – unabhängig davon, dass das Gesetzes keinen Pflichtteil für Geschwister vorsieht.
Wie viel jeder einzelne bekommt, richtet sich nach der Anzahl der Geschwister und, ob ein Elternteil noch lebt.
Beispiel:
Ist Ihr Bruder gestorben und hat Ihnen, Ihrer Schwester und Ihrer verwitweten Mutter alles hinterlassen, so teilt sich der Nachlass auf 3 Personen auf. Vorrang dabei hat die Mutter. Sie erhält 50 % vom Erbe.
Die übrigen 50 % teilen sich auf die 2 Geschwister auf. Somit erhält jeder 25 % von der Erbmasse des Erblassers. Sollten beide Eltern verstorben sein, wird das Erbe vollständig und zu gleichen Teilen auf die Geschwister aufgeteilt. Würden beide Elternteile noch leben, würden die Geschwister nichts erhalten.
5. Gibt es bei der Erbfolge Sonderregelungen für Halbgeschwister?
Halbgeschwister sind stets nur über ein Elternteil miteinander verwandt. Daher können Sie immer nur über diesen in die Erbfolge gelangen. Sollten Sie beispielsweise den selben Vater wie der Verstorbene haben, so geht dessen Elternanteil von 50 % auf Sie über, sofern auch dieser nicht mehr lebt. Auf den Anspruch der Mutter, mit welcher Sie nicht verwandt sind, haben Sie hingegen keinen Anspruch.
6. Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil ist eine finanzielle Mindestbeteiligung am Nachlass eines Erblassers, der pflichtteilsberechtigten Verwandten zusteht.
Das heißt: Wurden enge Verwandte erbvertraglich oder testamentarisch enterbt, haben sie unter Umständen einen Anspruch auf einen Teil des Erbes. Um einen Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können, müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein.