Pflichtteils- & Anspruchsberechtigung
Das Recht auf den Pflichtteil obliegt nur einigen der engsten Verwandten des Erblassers – den pflichtteilsberechtigten Personen. Dies sind nach § 2303 BGB
- alle Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel und Urenkel) – ehelich, außerehelich, mit Legitimierung und adoptiert,
- der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers,
- die Eltern des Erblassers.
Eine pflichtteilsberechtigte Person hat jedoch nicht automatisch gleichzeitig einen Pflichtteilsanspruch. Diese Anspruchsberechtigung wird durch eine Rangfolge unter den Erben geregelt:
- Kinder, Ehegatten und eingetragene Lebenspartner haben grundsätzlich einen Pflichtteilsanspruch.
- Enkel und Urenkel sind erst anspruchsberechtigt, nachdem die Kinder des Erblassers bereits verstorben sind.
- Eltern haben einen Pflichtteilsanspruch, wenn der Verstorbene keine Kinder hinterlassen hat.
Ist eine Person pflichtteilsberechtigt und hat sie einen Pflichtteilsanspruch, so muss sie noch eine letzte Voraussetzung für den Pflichtteil erfüllen: Der Pflichtteilsanspruch darf noch nicht verjährt sein.
Verjährung & Fristen des Pflichtteilsanspruchs
Der Pflichtteilsanspruch unterliegt nach §§ 195 und 199 BGB einer regelmäßigen Verjährungspflicht von drei Jahren und muss innerhalb dieses Zeitraums geltend gemacht werden. Nach der Kenntnisnahme über den Erbfall haben Berechtigte also drei Jahre Zeit, den Pflichtteil einzufordern – ist die Frist für den Pflichtteil verstrichen, kann er nicht mehr eingefordert werden. Die Verjährungsfrist setzt dabei mit dem Ende des Jahres ein, in dem der Erblasser verstorben ist. Erfährt ein Verwandter erst zu einem späteren Zeitpunkt vom Erbfall, so gilt das Ende des Jahres der Kenntnisnahme als Fristbeginn.
Mit unserem Verjährungsrechner finden Sie ganz einfach heraus, ob Ihr Pflichtteilsanspruch oder der von anderen Personen noch gültig oder bereits verjährt ist:
Weitere Informationen zur Verjährung des Pflichtteils, wie die Verjährung des Pflichtteils gehemmt werden kann und welche Sonderregelungen es gibt, finden Sie in unserem Beitrag Pflichtteil-Verjährung.
3. Wie berechnet sich der Pflichtteilsanspruch?
Eine Person mit einem gültigen Pflichtteilsanspruch sollte zunächst die Höhe des Pflichtteils berechnen – damit sie anschließend den konkreten Betrag beim Erben einfordern kann. Als reiner Geldanspruch berechnet sich der Pflichtteil dabei aus der Pflichtteilsquote und dem Nachlasswert.
Pflichtteilsquote & Nachlasswert
Die Pflichtteilsquote bestimmt den Anteil am Nachlass, der einer Person mit Pflichtteilsanspruch zusteht. Sie beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote – das ist der Erbteil, den Familienmitglieder gemäß der gesetzlichen Erbfolge bekommen. Die gesetzliche Erbfolge berücksichtigt dabei alle Verwandte, die neben dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch auf das Erbe haben.
Sofern Sie die genaue Pflichtteilsquote ermitteln wollen, nutzen Sie unseren Pflichtteilsrechner.
Um den Pflichtteilsanspruch zu berechnen, ist neben der Pflichtteilsquote der Nachlasswert wichtig. Damit dieser ermittelt werden kann, müssen die Erben auf Wunsch des Pflichtteilsberechtigten ein Nachlassinventar aufstellen, in dem alle Aktiva, Passiva, Verträge und Schenkungen des Erblassers aufgelistet sind. Diesbezüglich haben pflichtteilsberechtigte Personen nach § 2314 einen gesetzlichen Anspruch, den sie bei Widerstand der Erben auch gerichtlich durchsetzen können. Außerdem können sie einzelne Nachlassgegenstände von einem Gutachter schätzen lassen, um Zweifel an der Korrektheit des Nachlassverzeichnisses zu beseitigen.
Sofern Sie ausführliche Informationen zur Nachlasswertberechnung wünschen, finden Sie diese in unserem Beitrag Wie hoch ist der Pflichtteil?.
Kennen Sie sowohl die Pflichtteilsquote als auch den Nachlasswert, können Sie berechnen, wie hoch Ihr Pflichtteilsanspruch ausfällt.
Pflichtteilsrechner
Bei der Berechnung der Pflichtteilsquote spielen viele Faktoren eine bedeutende Rolle. Mithilfe unseres Pflichtteilsrechners können Sie ganz einfach Ihren Pflichtteilsanspruch oder den von anderen Personen berechnen:
4. Einforderung des Pflichtteilsanspruchs
Hat eine Person einen gültigen Pflichtteilsanspruch und kennt sie die Höhe ihres Pflichtteils, kann sie diesen beim Erben einfordern. Welche Schritte dafür notwendig sind und was es zu beachten gibt, lesen Sie im Folgenden.
Im Erbfall
Im Erbfall geht das Vermögen des Erblassers direkt auf seine Erben über. Erfährt ein Verwandter bei der Testamentseröffnung oder zu einem späteren Zeitpunkt von seiner Benachteiligung in Bezug auf den Nachlass, so wird ihm der Pflichtteil nicht automatisch ausgezahlt – selbst wenn er einen gültigen Pflichtteilsanspruch hat. Vielmehr muss er selbst aktiv werden und den Pflichtteil beim Erben einfordern.
Dabei kann es oft empfehlenswert sein, zunächst das persönliche Gespräch mit den Erben zu suchen. Weigern sich diese zur Kooperation, kann der Pflichtteilsanspruch schriftlich geltend gemacht werden – ggf. mit Ankündigung rechtlicher Schritte bei Nichtbeachten der Aufforderung. Stoßen Pflichtteilsberechtigte dabei immer noch auf Widerstand, kann die Pflichtteilsklage als letzter Ausweg in Betracht gezogen werden.
Weitere Informationen über die Vorgehensweise beim Einfordern des Pflichtteils, hilfreiche Mustervorlagen und Details über eventuelle Kosten finden Sie in unserem Artikel Pflichtteil einfordern.
Zu Lebzeiten
Oftmals fragen sich Familienmitglieder, ob sie den Pflichtteil zu Lebzeiten des Erblassers einfordern können. Schließlich ist es für einige Personen schon vor dem Ableben des Erblassers absehbar, dass sie im Erbfall wahrscheinlich nicht oder nur mit einem geringen Erbteil bedacht werden. Grundsätzlich kann man den Pflichtteil jedoch nicht zu Lebzeiten des Erblassers verlangen – der Pflichtteilsanspruch entsteht erst mit dem Tod des Erblassers.
Möchten sich Verwandte dennoch bereits zu Lebzeiten des Erblassers einen Teil des Erbes sichern, so sind sie auf dessen Kooperation angewiesen. Durch einen Pflichtteilsverzicht können sie gegen die Auszahlung einer Abfindung auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichten. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Schenkung in Höhe des Pflichtteils im Sinne der vorweggenommenen Erbfolge.
Falls keine Einigung möglich ist – der Klageweg
Zahlen die Erben den Pflichtteil nicht aus oder verweigern die Auskunft über den Nachlass, kann der Pflichtteilsanspruch auch gerichtlich durchgesetzt werden. Bei welchem Gericht Pflichtteilsberechtigte Klage einreichen müssen, ist dabei vom Streitwert abhängig. Bei einem Streitwert bis zu 5.000 Euro ist das Amtsgericht, bei allen darüber hinausgehenden Streitwerten das Landgericht zuständig. Außerdem wird zwischen zwei unterschiedlichen Klagearten unterschieden:
- der Stufenklage, bei der zunächst die Auskunft und anschließend der Zahlungsanspruch eingeklagt wird,
- die Pflichtteilsklage, durch die lediglich der Zahlungsanspruch durchgesetzt wird.
Wie der Pflichtteilsanspruch gerichtlich durchgesetzt wird, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Mehr Informationen über den Klageprozess, mögliche Kosten sowie Alternativen finden Sie auf unserem Beitrag Pflichtteil einklagen.
Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs
Wie zuvor bereits erwähnt, muss der Pflichtteil aktiv bei den Erben eingefordert werden. Besteht ein gültiger Pflichtteilsanspruch, so sind die Erben zur Auszahlung verpflichtet. Da der Pflichtteil ein reiner Geldanspruch ist, kann eine pflichtteilsberechtigte Person jedoch keinen konkreten Nachlassgegenstand verlangen – wie beispielsweise ein bestimmtes Möbelstück, ein Auto oder eine Immobilie. Das bedeutet wiederum für Erben, dass sie oftmals Nachlassgegenstände veräußern müssen, damit sie den Pflichtteilsanspruch auszahlen können.
Wenn Sie mehr Informationen zu diesem Thema suchen – beispielsweise über den Ablauf der Auszahlung, das Auskunftsbegehren oder die Stundung des Pflichtteils –, finden Sie diese in unserem Beitrag Pflichtteil auszahlen lassen.
5. Umgehung des Pflichtteilsanspruchs
Oftmals kann es eine große Belastung für die Erbengemeinschaft oder den Alleinerbe sein, wenn sie zusätzlich zu anderen Nachlasspflichten noch einen Pflichtteilsanspruch auszahlen müssen. Deswegen versuchen unter Umständen einige Erblasser, den Pflichtteil zu umgehen oder diesen zumindest zu mindern. Welche Möglichkeiten Sie hier anbieten und was dabei zu beachten ist, lesen Sie im Folgenden.
Enterben ohne Pflichtteilsanspruch
Möchte ein Erblasser einen nahen Verwandten enterben oder die Erbschaft an bestimmte Bedingungen knüpfen, hat er dabei zwei Optionen:
- der Pflichtteilsentzug – beispielsweise wenn ein schuldhaftes Verhalten nach § 2339 BGB vorliegt wie ein Tötungsversuch gegen den Erblasser;
- der Pflichtteilsverzicht – ein notarieller Vertrag, bei dem der Erbe zustimmt, im Erbfall auf den Pflichtteil zu verzichten (meist gegen Zahlung einer Abfindung).
In beiden Fällen verliert der potentielle Erbe seinen Pflichtteilsanspruch und geht folglich in Bezug auf den Nachlass leer aus. Wenn Sie noch weitere Informationen rund um das Thema Umgehung des Pflichtteilsanspruchs suchen, finden Sie diese in unserem Beitrag Enterben & Pflichtteil.
Reduzierung des Pflichtteilsanspruchs
Wenn es dem Erblasser nicht möglich ist, einem Verwandten den Pflichtteilsanspruch vollständig zu entziehen, hat er dennoch einige Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf den Pflichtteil. So kann der Erblasser beispielsweise sein Vermögen und somit auch indirekt den Pflichtteilsanspruch schmälern durch:
- Schenkungen zu Lebzeiten – wobei sich der Erblasser über eventuelle Pflichtteilsergänzungsansprüche bewusst sein sollte (siehe weiter unten);
- Verkauf gegen Leibrente – wenn ein Erblasser beispielsweise eine Immobilie gegen Zahlung von Leibrente verkauft;
- die Verlagerung von Vermögen ins Ausland – wodurch das deutsche Erbrecht umgangen werden kann.
Außerdem kann ein Erblasser den Pflichtteilsanspruch mindern, indem er die gesetzliche Erbquote – und damit auch die Pflichtteilsquote – beeinflussen. Dafür hat der Erblasser zwei Optionen:
- die Wahl des Güterstands – je nach Güterstand des Erblassers (Zugewinngemeinschaft, Gütergemeinschaft oder Gütertrennung) wird die Erbquote unterschiedlich zwischen Eltern und Kindern verteilt;
- die Adoption von Kindern – beispielsweise bei zweiter Ehe, in die Kinder mitgebracht wurden.
Durch eine der obigen Möglichkeiten oder eine Kombination von diesen kann der Erblasser den Pflichtteilsanspruch deutlich schmälern. Mehr Details zu den einzelnen Optionen finden Sie in unseren Beitrag Pflichtteil umgehen.
Abwehr von Pflichtteilsforderungen im Erbfall
Hat ein Erblasser keine vorbeugenden Maßnahmen in Bezug auf den Pflichtteilsanspruch getroffen, so müssen die Erben den Pflichtteilsforderungen nachkommen. In der Regel ist es dabei nicht möglich, den Pflichtteilsanspruch gänzlich abzuwehren – Ausnahmen sind nur die Erbunwürdigkeit oder ein verjährter Anspruch. Allerdings können die Erben den Aufwand bei der Auszahlung minimieren und diese möglichst unkompliziert abwickeln. Ebenfalls stehen ihnen Strategien bei Zahlungsschwierigkeiten zur Verfügung – beispielsweise wenn drohende Zwangsverkäufe den Verlust des Eigenheims bedeuten.
Ausführliche Informationen zu den Strategien zur Abwehr des Pflichtteilsanspruchs, zur Minderung des Auszahlungsaufwands und bei Zahlungsschwierigkeiten finden Sie in unserem Beitrag Pflichtteilsanspruch abwehren.
6.Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen zu Lebzeiten
Schmälert ein Erblasser sein Vermögen zu Lebzeiten durch Schenkungen, so kann dies eventuell einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach sich ziehen: Je nachdem wie lange die Schenkung her ist, haben pflichtteilsberechtigte Personen ein Recht auf Ausgleichszahlungen. Diese werden dann auf den Pflichtteilsanspruch addiert. Liegt eine Schenkung bereits länger als zehn Jahre zurück, können keine Ausgleichsforderungen mehr gestellt werden.
Mit unserem Pflichtteilsergänzungsrechner können Sie ganz einfach herausfinden, ob Sie einen Ergänzungsanspruch haben und wie hoch dieser ausfällt:
Ausführlichere Informationen zum Thema finden Sie in unserem Beitrag zum Pflichtteilsergänzungsanspruch.
7. Tipp: kostenlose Ersteinschätzung im Erbrecht
Der Pflichtteil gehört zu den kompliziertesten Angelegenheiten im Erbrecht. Ob es einen Pflichtteilsanspruch gibt, ist jeweils von der individuellen Familienkonstellation und spezifischen Situation abhängig – nur selten können Aussagen getroffen werden, die sich allgemeingültig auf jeden Erbfall übertragen lassen. Ein Anwalt kann Ihre Fragen beantworten.
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