Die Rechtsprechung unterscheidet 4 Krankheitsmuster:
- Häufige Kurzerkrankungen
- Dauernde Arbeitsunfähigkeit
- Langandauernde Krankheit
- Krankheitsbedingte Leistungsminderung
Jedes Krankheitsmuster bringt unterschiedlich starke Belastungen für den Arbeitgeber mit sich. Und damit ein unterschiedlich hohes Risiko, ob ein Arbeitsgericht die Kündigung als rechtmäßig beurteilen wird.
Häufige Kurzerkrankungen
Beispiel: Der Arbeitnehmer ist immer wieder für Tage oder Wochen krank. Über einen Beobachtungszeitraum von mindestens zwei Jahren werden so zusammengenommen sechs Wochen krankheitsbedingte Abwesenheit pro Jahr überschritten.
► Sehr hohes Risiko, dass eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist.
Für Unternehmen sind häufige Kurzerkrankungen besonders belastend – finanziell, weil die Krankenversicherung erst nach sechs Wochen die Lohnfortzahlungskosten übernimmt und bis dahin der Arbeitgeber in der Pflicht ist.
Organisatorisch, weil es keine Planungssicherheit gibt und Arbeit immer wieder kurzfristig auf die verbleibenden Mitarbeiter umverteilt werden muss. Die Arbeitgeberinteressen sind also erheblich beeinträchtigt.
Ob eine Kündigung wegen Krankheit rechtmäßig ist, hängt hier maßgeblich von der Gesundheitsprognose ab: Im Normalfall ist der Arbeitgeber durch das ärztliche Attest zwar über den krankheitsbedingten Ausfall des Mitarbeiters informiert, nicht aber über die Diagnose.
Mit den gegebenen Informationen liegt also für den Arbeitgeber der Verdacht nahe, dass sich aus den häufigen und regelmäßigen Kurzerkrankungen der Vergangenheit auch die Zukunft ableiten lässt.
Um sich gegen den Vorwurf einer negativen Gesundheitsprognose zu wehren, hat der Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten:
- Er kann seine Krankheitsgeschichte offenlegen, um zu beweisen, dass die vielen Abwesenheiten nicht durch ein chronisches Leiden, sondern durch unterschiedliche Krankheitsbilder bedingt sind.
Er würde seinem Arbeitgeber also die unterschiedlichen Krankheitsgründe auflisten, wie z. B. eine Erkältung, eine Magen-Darm-Erkrankung, eine Zahnbehandlung und eine depressive Verstimmung. Zusätzlich müsste er belegen, dass alle Erkrankungen zum Zeitpunkt der Kündigung bereits ausgeheilt waren.
- Er kann seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, um die gesundheitliche Entwicklung durch den Experten offiziell positiv prognostizieren zu lassen.
Hat der Arbeitnehmer Krankheitsbilder unterschiedlicher aber ähnlicher Art – fehlt er also z. B. immer wegen diverser psychischer Probleme oder unterschiedlicher orthopädischer Leiden – kann das laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf eine „allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert“, also eine negative Gesundheitsprognose begründen (BAG, 20.11.2014 - 2 AZR 755/13).
Dauernde Arbeitsunfähigkeit
Beispiel: Ein Handwerker fällt vom Baugerüst und bleibt voraussichtlich den Rest seines Lebens querschnittsgelähmt.
► Hohes Risiko, dass eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist.
Der Handwerker wird aller Voraussicht nach dauerhaft arbeitsunfähig bleiben. Die Gesundheitsprognose ist mit Blick auf seinen Tätigkeitsbereich negativ. Aus Arbeitgebersicht liegt daher eine Interessenbeeinträchtigung vor.
Kann das Unternehmen keinen angemessen Alternativ-Arbeitsplatz anbieten, ist die Kündigung wegen Krankheit in aller Regel zulässig. Denn die Interessenabwägung wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu Ungunsten des Arbeitnehmers ausfallen.
Langandauernde Krankheit
Beispiel: Der Mitarbeiter entwickelt einen Tumor, der vollständig therapierbar ist. Er kehrt nach der Genesung ohne Folgeschäden an seinen Arbeitsplatz zurück.
► Geringes Risiko, dass eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist.
Der Mitarbeiter ist länger als sechs Wochen krankgeschrieben, hat jedoch Aussicht auf eine vollständige Genesung, auch wenn der Zeitpunkt dafür noch nicht genau absehbar ist.
Nach sechs Krankheitswochen übernimmt die Krankenkasse die Lohnfortzahlung. Das Unternehmen hat also keine finanzielle Belastung mehr und kann davon ausgehen, dass der Mitarbeiter nach der Genesung voll einsatzfähig an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt.
Eine negative Gesundheitsprognose ist möglich, wenn sich der Zeitpunkt der Genesung überhaupt nicht prognostizieren lässt oder sehr weit in der Zukunft liegt. Es gibt hierfür aber keinen verbindlichen Maßstab. Der Einzelfall entscheidet, ob die Kündigung wegen Krankheit zulässig ist.
Krankheitsbedingte Leistungsminderung
Beispiel: Der Mitarbeiter kehrt nach einer Erkrankung an den Arbeitsplatz zurück. Durch die Folgen der Krankheit hat sich seine Arbeitsleistung reduziert.
► Mittleres Risiko, dass eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist.
Als Faustregel gilt, dass sich die Arbeitsleistung dauerhaft um mindestens 30 Prozent verringern muss, damit eine Kündigung wegen Krankheit durchsetzbar ist.
Weil das Arbeitsrecht immer die Wahl des mildesten Mittels vorsieht, muss vorher geprüft werden, ob eine Teilzeitregelung oder die Versetzung auf eine andere, leidensgerechte Stelle innerhalb des Unternehmens infrage kommt.