Ist ein Erbvertrag bindend?
Ja – ein Erbvertrag benötigt eine Beurkundung vom Notar und muss von allen beteiligten Parteien unterschrieben werden. Damit sind die vertragsmäßigen Verfügungen für alle rechtlich bindend.
Änderungen am Vertrag können nur vorgenommen werden, wenn alle Parteien einverstanden sind. Allerdings lässt sich in bestimmten Fällen ein Erbvertrag anfechten. Eine Anfechtung ist z. B. möglich, wenn der Erblasser bei Vertragsabschluss nicht geschäfts- und testierfähig war.
Wird er zwischen Ehegatten zur Nachlassregelung abgeschlossen, erlischt der Erbvertrag im Falle einer Scheidung, Aufhebung oder Nichtigkeitserklärung der Ehe.
2. Was ist der Pflichtteil?
Der Anspruch auf einen Pflichtteil am Erbe entsteht laut Erbrecht, wenn die anspruchsberechtigte Person durch ein Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde. Wird einer der gesetzlichen Erben durch eine letztwillige Verfügung benachteiligt, hat er also immer noch Anspruch auf das gesetzliche Pflichtteil-Erbe – d. h., auf einen Mindestanteil am Erbe.
Das Erbrecht schützt damit die kraft Gesetzes bestimmten Erben und verhindert, dass diese leer ausgehen. Daher steht den Enterbten trotz gegensätzlichen Willens des Erblassers ein Teil am Nachlass zu.
Grundsätzlich besteht der Pflichtteilsanspruch unabhängig von Erbverträgen oder Testamenten. Ein Erbvertrag kann also einen Pflichtteilsanspruch nicht verhindern.
Wie hoch ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil beträgt gemäß § 2303 BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Möchten Sie den Pflichtteil berechnen, müssen Sie zum einen wissen, wer Anspruch auf ihn hat (sprich wer der gesetzliche Erbe ist) und wie hoch dessen gesetzlicher Erbteil wäre. Die Vorschriften des § 1924 BGB regeln den gesetzlichen Erbteil.
Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
Der Pflichtteil kann nur von pflichtteilsberechtigten Familienmitgliedern eingefordert werden.
Berechtigt sind folgende Angehörige:
- Kinder, Enkel und Urenkel des Erblassers (ehelich, außerehelich, mit Legitimierung und adoptiert)
- Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz
- Eltern des Erblassers
Zu Lebzeiten des Erblassers kann jedoch kein Pflichtteilsberechtigter Anspruch auf seinen Anteil erheben – das geht erst mit dessen Ableben.
Wer hat keinen Anspruch auf den Pflichtteil?
Keinen Anspruch auf den Pflichtteil haben entferntere Verwandte wie Geschwister, Onkel, Tanten, Nichten und Neffen des Erblassers. Auch unverheiratete bzw. nicht eingetragene Lebenspartner haben keinen Anspruch.
Auch in folgenden Fällen besteht kein Pflichtteilsrecht:
- Der Erbe verzichtet im Erbvertrag auf seinen Pflichtteil
- Der Erbe wurde vom Erbe ausgeschlossen, aber mit einem Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils bedacht
- Der Erbe wurde wegen schweren Fehlverhaltens für erbunwürdig erklärt
- Zum Zeitpunkt des Erbfalls leben Erben erster Ordnung – dann lässt sich der Pflichtteilsanspruch von Erben 2. Ordnung noch nicht geltend machen.
Da unverheiratete Paare keinen gesetzlichen Anspruch auf den Pflichtteil haben, kann insbesondere für sie ein Erbvertrag sinnvoll sein – er ermöglicht die wechselseitige Erbeinsetzung als Alleinerben.
3. Auswirkungen des Erbvertrags auf den Pflichtteil
Grundsätzlich können Sie als Erblasser durch einen Erbvertrag eigene Verfügungen treffen – z. B. einen Wunscherben bestimmen oder einen Ihrer gesetzlichen Erben vom Erbe ausschließen.
Eine vollständige Enterbung ist in den meisten Fällen aber auch durch einen Erbvertrag nicht möglich – denn gesetzliche Erben haben (fast) immer einen Anspruch auf ihren Mindestanteil am Erbe. Sie können den Pflichtteil also trotz Erbvertrag einfordern.
Wollen Sie als Erblasser durch den Erbvertrag den Pflichtteil umgehen, ist dies mit hohen Hürden verbunden.
Kann man einen Erben per Erbvertrag vom Pflichtteil ausschließen?
Nein, das ist nicht möglich. Der Pflichtteil ist der gesetzliche Mindestanteil am Erbe. Die gesetzlichen Erben sollen zumindest diesen Erbanteil erhalten.
Bestimmte Klauseln im Erbvertrag können Pflichtteilsberechtigte aber davon abhalten, ihren Pflichtteilanspruch zu einem bestimmten Zeitpunkt geltend zu machen. Mit sogenannten Pflichtteilsstrafklauseln können Ehepaare z. B. verhindern, dass die Kinder (und damit die gesetzlichen Erben 1. Ordnung) ihren Pflichtteil schon nach dem Ableben des zuerst versterbenden Ehepartners einfordern.
Halten sich die Kinder nicht an die Vereinbarung des Erbvertrags, kann der Erblasser Konsequenzen festlegen. Strafen können z. B. eine Minderung des Erbanteils sein.
Beispiel: Ein Mann möchte für die finanzielle Sicherheit seiner Frau sorgen – auch nach seinem Tod. Deshalb soll im Erbfall der gesamte Nachlass an sie gehen und seine Kinder sollen zunächst kein Erbe erhalten. Erst wenn beide Elternteile verstorben sind, sollen die Kinder erben.
Er bestimmt im Erbvertrag mit seiner Frau folgende Pflichtteilsstrafklausel:
„Verlangt eines unserer Kinder beim Tod des erstversterbenden Ehepartners seinen Pflichtteil, so werden dieses Kind sowie seine Abkömmlinge keine Erben des letztversterbenden Ehepartners.“
Wollen die Kinder keinen Teil ihres Erbes verlieren, werden sie aufgrund der Strafklausel nicht auf den Pflichtteil zugreifen und erben das Vermögen erst, wenn beide Elternteile verstorben sind.
Lässt sich der Pflichtteil im Erbvertrag umgehen?
Nein. Da trotz Erbvertrag bei Enterbung ein Pflichtteil geltend gemacht werden kann, können Pflichtteilsansprüche in der Regel nicht umgangen werden. Eine Ausnahme besteht, wenn der pflichtteilsberechtigte Verwandte selbst auf seinen Mindestanteil am Erbe verzichtet.
Dieser Pflichtteilsverzicht wird vertraglich zwischen Erblasser und dem betreffenden Verwandten geschlossen. Als Gegenleistung für den Verzicht erhält der Pflichtteilsberechtigte oftmals eine Abfindungszahlung. Die Höhe der Zahlung ist frei wählbar – sie kann sich z. B. an der Höhe des Pflichtteils orientieren.
Daneben lässt sich durch Schenkungen zu Lebzeiten der Nachlass und damit auch der Pflichtteil schmälern. Pflichtteilsberechtigte können dann aber einen Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen haben.
Kann man den Pflichtteil im Erbvertrag entziehen?
Nein, der Pflichtteil im Erbvertrag lässt sich nicht entziehen. Es gibt allerdings Ausnahmefälle: Bei schwerem Fehlverhalten gegenüber dem Erblasser oder einem nahen Verwandten kann der Erbe seinen Pflichtteilsanspruch verlieren – er ist dann erbunwürdig.
Ein solches Vergehen liegt laut § 2333 BGB vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte
- dem Erblasser, dessen Ehepartner, einem Abkömmling oder einer ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben trachtet.
- sich eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der eben genannten Personen schuldig gemacht hat.
- die gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt hat.
- wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde.
- auf Grund einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt untergebracht wurde.