Fristen & Verjährung
Grundsätzlich verjährt ein Anspruch auf Schmerzensgeld laut § 195 BGB nach 3 Jahren. Dabei beginnt die Frist mit Ende des Jahres, in dem es zum schädigenden Ereignis gekommen ist und der Geschädigte Kenntnis über den Schädiger sowie die Schäden erlangt hat. Sollten schädigendes Ereignis und Kenntnisnahme nicht im selben Jahr liegen, beginnt die Frist erst zum Ende des Jahres, in welchem Kenntnis über den Schädiger oder die Schäden erlangt wurde.
Beispiel: Ein Spaziergänger ist im Dezember 2017 von einem Radfahrer angefahren worden. Dadurch erlitt er starke Verletzungen, aufgrund derer er mehrere Wochen stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Die Polizei konnte den Fahrradfahrer jedoch erst im Februar 2018 ausfindig machen. Daher beginnt die entsprechende Verjährungsfrist nicht am 31.12.2017, sondern erst am 31.12.2018 – und endet am 31.12.2021.
Sollten mögliche Folgeschäden nicht ausgeschlossen werden können, ist es möglich, bei Gericht einen Feststellungsantrag zu stellen. Dadurch lässt sich die dreijährige Verjährungsfrist aufschieben und der Anspruch für etwaige Folgeschäden wird für 30 Jahre gesichert. Nach dieser Frist kann dann keinerlei Anspruch auf Schmerzensgeld mehr geltend gemacht werden.
Wer zahlt das Schmerzensgeld?
Ist ein Anspruch auf Schmerzensgeld entstanden, erfolgt die Zahlung in der Regel durch die Haftpflichtversicherung des Schädigers. Dafür muss jedoch zunächst festgestellt werden, ob der Geschädigte womöglich das schädigende Ereignis mitverschuldet hat.
- Unverschuldet: Das Schmerzensgeld wird grundsätzlich vom Unfallverursacher oder dessen Haftpflichtversicherung gezahlt, sollte der Geschädigte keine Mitschuld am Schadensereignis tragen.
- Mitverschuldet: Wird eine Mitschuld des Geschädigten nachgewiesen, steht ihm dennoch Schmerzensgeld zu. Dabei wird jedoch der Mithaftungsanteil, den er durch die entstandene Teilschuld trägt, berücksichtigt.
Ist der Schädiger minderjährig oder behindert und daher von Gesetzeswegen beaufsichtigungspflichtig, werden die Eltern bzw. Betreuer zur Zahlung des Schmerzensgeldes in die Pflicht genommen.
2. Wie viel Schmerzensgeld erhalte ich?
Die genaue Berechnung von Schmerzensgeld nach einem Behandlungsfehler oder Verkehrsunfall ist sehr komplex, da die immateriellen Schäden individuell für jeden Schadensfall zu betrachten sind. So hängt die Höhe des Schmerzensgeldes vom individuellen Ausmaß und den individuellen Folgen für den Betroffenen ab. Dabei gilt grundsätzlich: Je stärker die Beeinträchtigung, desto mehr Schmerzensgeld kann der Geschädigte erwarten.
Bei der Bestimmung von Schmerzensgeld werden darüber hinaus auch u. a. folgende Faktoren berücksichtigt:
- Ausmaß der physischen und psychischen Folgen,
- Notwendigkeit, Anzahl & Umfang etwaiger Behandlungen und Operationen,
- Dauer des Heilungsprozesses & der Krankenhausaufenthalte,
- Dauer einer etwaigen Arbeitsunfähigkeit,
- Folgeschäden oder chronische Schäden,
- Auswirkungen auf Alltag & Beruf,
- Zukunftsprognose,
- Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers und
- Verzögerung der Schadensregulierung durch die Versicherung des Schädigers.
Vor Gericht kann sich neben einer solchen Verzögerungstaktik der gegnerischen Versicherung übrigens eine fehlende Einsicht des Unfallverursachers ebenfalls schmerzensgelderhöhend auswirken.
Einen ersten Anhaltspunkt über die Schmerzensgeldhöhe bieten sogenannte Schmerzensgeldtabellen. Diese stellen eine Sammlung vergangener Gerichtsurteile zu Schmerzensgeldern bei immateriellen Schäden dar. Schmerzensgeldtabellen sind allerdings nicht bindend und können lediglich als grobe Orientierung bei der Bestimmung einer konkreten Schmerzensgeldhöhe herangezogen werden.
Ausführlichere Informationen zu Schmerzensgeldhöhen bei den verschiedensten Schäden und Schadensursachen finden Sie in unserem ausführlichen Beitrag zur Schmerzensgeldtabelle.
Wie hoch Schmerzensgeld bei Unfällen, Behandlungsfehlern oder psychischen Schäden durch u. a. Mobbing ausfallen könnte, haben wir Ihnen in den folgenden Schmerzensgeldtabellen zusammengestellt.
Schmerzensgeld bei Unfällen
Unfälle passieren im Straßenverkehr, beim Sport oder im Urlaub – sollten durch einen solchen Unfall erhebliche Verletzungen entstanden sein, begründet dies in der Regel einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Welche Schmerzensgelder in diesem Zusammenhang von deutschen Gerichten zugesprochen wurden, haben wir Ihnen nachfolgend exemplarisch zusammengestellt:
Sachverhalt
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Schmerzensgeld
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Urteil
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HWS-Distorsion 1.–2. Grades
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3.000 Euro
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LG Tübingen, 2015
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Erhebliche dauerhafte Schäden am linken Knie nach Blockade des Auslaufs einer Wasserrutsche
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3.000 Euro
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OLG Koblenz, 2012
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Starke Verletzungen nach Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Fahrgeschäft
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5.000 Euro
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OLG Oldenburg, 2014
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Offener Unterschenkeltrümmerbruch und Daumenfraktur
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7.500 Euro
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OLG Oldenburg, 2005
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Starke Verletzungen des Beifahrers und risikoreiche OP nach Unfall aufgrund überhöhter Geschwindigkeit
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12.000 Euro
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OLG Bamberg, 2011
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Faktur des zweiten Halswirbels, Gehirnerschütterung und Prellungen nach Zusammenstoß zweier Fahrräder mit unzureichender Beleuchtung.
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15.000 Euro
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LG München, 2010
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5 Tage Intensivstation, vier Monate abwechselnd ambulante und stationäre Behandlung, starke Bewegungseinschränkung nach Skiunfall
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40.000 Euro +
13.000 Euro Schadensersatz
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LG Ravensburg, 2006
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Schädelhirntrauma mit Dauerschäden
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75.000 Euro
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OLG Hamm, 2001
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Ausführlichere Informationen zum Schmerzensgeld nach einem Unfall finden Sie in unserem Beitrag zum Thema Schmerzensgeld nach Unfall. Um ausführlichere Erläuterungen zu den verschiedenen Unfallarten zu erhalten, empfehlen wir Ihnen unsere Beiträge zu den Schwerpunkten Schmerzensgeld Autounfall, Auffahrunfall Schmerzensgeld sowie Schmerzensgeld Fahrradunfall. Sofern Sie Informationen zur Schmerzensgeldhöhe bei schweren Verletzungen suchen, finden Sie diese in unseren Beiträgen zu den Schwerpunkten Schmerzensgeld Schleudertrauma sowie Schmerzensgeld HWS.
Schmerzensgeld bei Behandlungsfehlern
Verstößt ein Arzt gegen z. B. medizinische Standards oder missachtet seine ärztlichen Sorgfaltspflichten und führt dies zu einer Verschlechterung der Gesundheit des Patienten, kann dies einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen. Einige Urteile deutscher Gerichte zu diesem Zusammenhang haben wir Ihnen nachfolgend exemplarisch zusammengestellt:
Sachverhalt
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Schmerzensgeld
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Urteil
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Starke Schmerzen, tränendes und stark geschwollenes Auge nach vergessener Entfernung eines Nylonfadens nach einer Augenoperation
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5.000 Euro
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OLG Frankfurt, 2002
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Starke Schmerzen und verlängerter Heilungsprozess nach fehlerhafter Wundspülung
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6.000 Euro
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OLG Köln, 2012
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Verlust des Kindes nach verspätet durchgeführtem Notkaiserschnitt
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7.500 Euro
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OLG Thüringen, 2011
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Bleibende Schäden an Handgelenk nach fehlerhafter Operation
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15.000 Euro
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OLG Hamm, 2013
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Entfernung von insgesamt 8 Zähnen, obwohl dies medizinisch nicht indiziert war
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15.000 Euro
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OLG Hamm, 2001
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Tod einer Patientin wegen eines nicht erkannten massiven Hirnstamminfarkts
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50.000 Euro
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OLG Hamm, 2013
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Verlust der Gebärfähigkeit nach Entnahme des rechten Eierstocks, obwohl der linke Eierstock mit Krebszellen belastet war
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50.000 Euro
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LG Mainz, 2010
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Arzt übersah eine Darmkrebserkrankung: mehrere Operationen, Chemotherapien und Tod nach über 2-jährigem Leidensweg
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100.000 Euro
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OLG Braunschweig, 2010
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Ausführlichere Informationen zum Schmerzensgeld in diesen und ähnlichen Fällen finden Sie in unserem ausführlicheren Beitrag zum Behandlungsfehler. Sofern Sie sich über Ihre juristische Optionen bei Fehlern des medizinischen Personals informieren wollen, empfehlen wir Ihnen unsere Beiträge zu den Schwerpunkten Arzt verklagen, Zahnarzt verklagen und Krankenhaus verklagen.
Schmerzensgeld bei psychischen Schäden
Nicht nur physische, sondern auch psychische Schäden aufgrund z. B. von Mobbing am Arbeitsplatz, Beleidigung oder Verleumdung können einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen. In diesem Zusammenhang muss allerdings beispielsweise durch ein psychologisches oder psychiatrisches Gutachten ein erheblicher Leidensdruck und dessen Ursachen nachgewiesen werden. Welche Schmerzensgelder in diesem Zusammenhang von deutschen Gerichten zugesprochen wurden, haben wir Ihnen hier exemplarisch zusammengestellt:
Sachverhalt
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Schmerzensgeld
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Urteil
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Cybermobbing via Facebook mit Unterstellung von Homosexualität und Pädophilie
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1.500 Euro
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LG Memmingen, 2015
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Demütigung der ethnischen Herkunft durch Rap-Video bei YouTube
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5.000 Euro
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LG Bonn, 2013
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Seelische Belastung durch dauerhafte Entstellung nach fahrlässiger Herbeiführung einer großen Risswunde im Gesicht
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7.500 Euro
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OLG Düsseldorf, 2010
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Starke psychische Erkrankung mit depressiven Episoden nach systematischem Mobbing am Arbeitsplatz
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10.000 Euro
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AG Eisenach, 2005
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Schwere psychische Erkrankung nach Tod der Tochter durch Verkehrsunfall
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30.000 Euro
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OLG Frankfurt am Main, 2012
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Erhebliche körperliche, unfallbedingte posttraumatische Belastungsstörung und Arbeitsunfähigkeit infolge der Ängste nach Autounfall
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30.000 Euro
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OLG Schleswig, 2009
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Todesangst des Opfers eines Gewaltverbrechens
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50.000 Euro
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OLG Bremen, 2012
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Lebensgefährliche Verletzungen, starke Angstzustände, Schlafstörungen und eine posttraumatische Belastungsstörung nach Gewaltanwendung
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75.000 Euro
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LG Düsseldorf, 2010
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Ausführlichere Informationen zu Schmerzensgeld bei Mobbing, Beleidung und Verleumdung und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um Schmerzensgeld und andere Ansprüche wie Schadensersatz geltend zu machen, finden Sie in unseren Beiträgen zu den Schwerpunkten Mobbing am Arbeitsplatz, Anzeige wegen Beleidigung und Anzeige wegen Verleumdung.
3. Schmerzensgeld geltend machen
Um einen Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem Schadensereignis wie einem Unfall oder Behandlungsfehler durchzusetzen, kann zunächst eine außergerichtliche Einigung mit der Gegenseite angestrebt werden. Ist diese nicht möglich, kann eine Klage auf Schmerzensgeld erhoben werden. Wie dabei vorzugehen ist und welche Voraussetzungen zu beachten sind, erklären wir Ihnen jetzt.
Außergerichtliche Durchsetzung
Für eine außergerichtliche Einigung ist zunächst eine schriftliche Schmerzensgeldforderung an den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung zu stellen. Das formlose Anschreiben sollte folgende Inhalte berücksichtigen:
- Anschrift des Geschädigten,
- Anschrift der gegnerischen Versicherung,
- Name des Schädigers,
- Anliegen (Antrag auf Schmerzensgeld vom Schädiger an den Geschädigten),
- Mithaftungsquote des Geschädigten,
- Einschätzung über ein angemessenes Schmerzensgeld,
- Fristsetzung für dessen Auszahlung.
Diesem Schreiben sollten dann alle relevanten Dokumente und Nachweise zu den Schäden und deren Ursachen beigefügt werden. Diese können z. B.
- ausführliche Beschreibung des Unfallhergangs,
- ärztliche Dokumentation der Schäden wie Verletzungen usw.,
- Nachweise über mögliche Krankenhausaufenthalte,
- Krankschreibungen,
- Nachweise über die Ursache der Schäden,
- psychologische Gutachten,
- die konkrete Höhe des Schmerzensgeldes und
- eine Fristsetzung für dessen Auszahlung
sein. Oftmals verlangt die gegnerische Versicherung im Gegenzug zur Zahlung eines Schmerzensgeldes die Unterzeichnung einer Abfindungserklärung. Diese verhindert einen weiteren Zahlungsanspruch, sollten nicht absehbare Folgeschäden entstehen.
Schmerzensgeld gerichtlich einklagen
Sollte eine außergerichtliche Einigung mit der Gegenseite nicht möglich sein, kann Schmerzensgeld vor Gericht eingeklagt werden. Folgende Schrittfolge kann dabei eingehalten werden:
- Klageschrift einreichen: Zunächst wird eine Klageschrift beim zuständigen Zivilgericht eingereicht. Bei einem Streitwert bis 5.000 Euro ist das Amtsgericht vor Ort zuständig, bei einem Streitwert über 5.000 Euro das entsprechende Landgericht – bei diesem besteht Anwaltszwang.
- Zahlung des Gerichtskostenvorschusses: Bei Einreichung einer Klage wird die Zahlung eines Gerichtsvorschusses fällig. Dieser richtet nach dem Streitwert – also dem geforderten Schmerzensgeld.
- Beginn des Gerichtsprozesses: Anschließend wird die Klage an die gegnerische Seite zugestellt. Damit ist der Gerichtsprozess eröffnet.
- Verhandlung über das Schmerzensgeld: Bei der Verhandlung werden die Aussagen zu Schadensereignis und Schäden zusammengetragen. Das Gericht befasst sich mit der Schuldfrage und ermittelt den genauen Schadensumfang.
- Entscheidung durch das Gericht: Im nächsten Schritt fällt der zuständige Richter ein Urteil darüber, ob ein Schmerzensgeldanspruch besteht und wie hoch dieser ausfällt. Außerdem legt er eine Frist zur Auszahlung des Betrags fest.
- Auszahlung des Schmerzensgeldes: Abschließend wird dem Geschädigten innerhalb der festgelegten Frist das zugesprochene Schmerzensgeld ausgezahlt.
Welche Voraussetzungen und Anforderungen bei der Erhebung einer Klage zu beachten sind und welche Kosten entstehen können, erläutern wir Ihnen in unserem Beitrag zum Thema Klage einreichen.