1. Wann habe ich Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem Autounfall?
Ob nach einem Verkehrsunfall ein Schmerzensgeldanspruch gegeben ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Für einen rechtmäßigen Anspruch muss der Geschädigte innerhalb der Verjährungsfrist nachweisen, dass
- er erhebliche Verletzungen unverschuldet erlitten hat.
- der Autounfall die unmittelbare Ursache seines Schadens ist.
- der Unfallverursacher vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.
Steht der Unfallverursacher unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, handelt er mit Vorsatz gesetzeswidrig, da er die Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf nimmt. Fahrlässigkeit wird unterstellt, wenn der Schädiger durch leichtsinniges, aber unabsichtliches Verhalten z. B. einen Auffahrunfall verursacht.
In diesen Fällen haben Geschädigte nach einem Autounfall keinen Anspruch auf Schmerzensgeld:
- Bei leichten bzw. oberflächlichen Verletzungen wie Prellungen, Schürf- und Schnittwunden, Kopfschmerzen, Schleimhautreizungen.
- Wenn ein Kind unter 10 Jahren der Unfallverursacher ist.
- Als Angehöriger eines Unfalltoten. Erleiden Angehörige jedoch infolge des plötzlichen Unfalltodes des Verwandten einen sog. Schockschaden, gewähren Gerichte selten und nur bei übermäßiger Beeinträchtigung Schmerzensgeld.
Wer zahlt das Schmerzensgeld nach einem Autounfall?
Bei Verkehrsunfällen unterscheidet man zwischen einem verschuldeten und einem unverschuldeten Ereignis:
- Ist der Geschädigte unverschuldet verletzt, übernimmt die Haftpflichtversicherung des Schädigers die Schmerzensgeldzahlung.
- Im Falle eines mitverschuldeten Schadens steht Betroffenen ebenfalls Schmerzensgeld zu. Allerdings abzüglich eines Mithaftungsanteils.
Verjährung vermeiden
Die regelmäßige Verjährung von Schmerzensgeldansprüchen beträgt nach § 195 BGB 3 Jahre. Die Frist beginnt dabei mit Ende des Jahres, in dem der Verkehrsunfall sich ereignete und dem Geschädigten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bekannt geworden sind.
Bezüglich der Verjährung existieren 2 Sonderregelungen:
- Während eines Gerichtsprozesses kommt es nicht zur Verjährung von Schmerzensgeldansprüchen. Die sog. Hemmung wirkt nach Verkündung des Urteils noch 3 Monate fort.
- Bei unbekanntem Ausmaß der Folgeschäden kann die Frist ausgeweitet werden. Diese Verlängerung ist auf 30 Jahre begrenzt, danach verfallen sämtliche Ansprüche auf Entschädigung.
Schadensursache nachweisen
Möchte ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall Schmerzensgeld erhalten, trägt er als Anspruchsteller die volle Beweispflicht. Mithilfe seiner persönlichen Dokumentation muss er den Verkehrsunfall als unmittelbare Ursache seiner Beeinträchtigungen zweifelsfrei nachweisen.
Als Beweismittel eignen sich:
- Polizeibericht & Arztbriefe
- Aussagen von Zeugen
- Zweitmeinungen & Expertengutachten
- Übersicht sämtlicher Folgekosten
2. Wie viel Schmerzensgeld steht mir nach einem Verkehrsunfall zu?
Ist ein Entschädigungsanspruch zweifelsfrei nachgewiesen, kann die Forderung berechnet werden. Über die konkrete Höhe des Schmerzensgeldes lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen treffen.
Anhand folgender Faktoren bemisst sich die Höhe des Schmerzensgeldes:
- Ausmaß der Verletzungen
- Umfang & Dauer der Behandlung
- Einschränkungen in Alltag & Beruf
- Dauer der Arbeitsunfähigkeit
- Folgekosten & -schäden
- Fehlende Einsicht des Unfallverursachers
- Vorsätzlich verzögerte Schadensregulierung
Schmerzensgeldtabelle: Verkehrsunfall
In sog. Schmerzensgeldtabellen werden Gerichtsurteile zu Schmerzensgeldern nach Autounfällen für Verletzungen wie Unfalltrauma, Frakturen oder Prellungen gesammelt.
Die konkrete Höhe ist vom individuellen Fall abhängig. Daher dient auch die folgende Übersicht nur als eine erste, grobe Orientierung für die Berechnung von Schmerzensgeld nach einem Autounfall.
Was beim Schmerzensgeld bei Verkehrsunfall mit Todesfolge zu beachten ist und welche Entschädigungen Ihnen in anderen Fällen zustehen, erfahren Sie in unseren Beiträgen mit den Themenschwerpunkten Schmerzensgeld nach Unfall: Unfalltod, Arbeitsunfall & Fahrradunfall.
Verletzung nach Autounfall
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Schmerzensgeld
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Urteil
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Leichte Prellungen
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250 €
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OLG München 2016
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Depression & Arbeitsunfähigkeit der Eltern nach Unfalltod ihrer 3 Kinder
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10.225 € bzw. 15.300 €
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OLG Nürnberg 1995
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Schädelhirntrauma & Wesensveränderungen
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55.000
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OLG Köln 2014
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Fußamputation
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75.000 €
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LG Bielefeld 2005
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Unterschenkelamputation des Beifahrers, Fahrer ist alkoholisiert
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120.000 € (abzgl. 25 % für Mitverschulden)
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KG Berlin 2006
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Beifahrer zwischen zwei Autos eingequetscht & 17 m durch die Luft geschleudert
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250.000 € + 250 € monatliche SG-Rente
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OLG Karlsruhe 2013
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Schädelhirntrauma 3. Grades, innere Blutungen, Hirnödem & Frakturen
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ca. 430.000 €
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LG Hamburg 2011
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Schweres Schleudertrauma, Wachkoma & Pflegebedürftigkeit
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500.000 €
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OLG Oldenburg 2014
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Anspruch auf Schadensersatz prüfen lassen
Während Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall physische und psychische Schäden kompensieren soll, gleicht Schadensersatz materielle Verluste aus.
Sind Materialschäden infolge eines Autounfalls nachzuweisen, haben Betroffene u. U. einen Schadensersatzanspruch für:
- Sachschäden: unfallbedingte Beschädigung von Handy, Laptop u. a. Wertgegenständen, Blechschäden am Kfz
- Nutzungsausfall: defektes Auto eines Berufskraftfahrers
3. Wie beantrage ich Schmerzensgeld für einen Autounfall?
Es gibt zwei Möglichkeiten, um als Geschädigter nach einem Verkehrsunfall Schmerzensgeld vom Schädiger einzufordern:
Versuch einer außergerichtlichen Einigung
Dafür muss zunächst eine schriftliche Forderung an den Unfallverursacher oder dessen Haftpflichtversicherung gesendet werden. Das Schreiben sollte neben einer Begründung der konkreten Schmerzensgeldforderung auch eine Fristsetzung für deren Auszahlung enthalten. Alle relevanten Dokumente sind beizufügen.
Schmerzensgeld einklagen
Kann in außergerichtlichen Verhandlungen keine Einigung erzielt werden, bleibt Geschädigten die Option, eine Schmerzensgeldklage zu erheben. Dann wird Ihr Schmerzensgeldanspruch nach einem Verkehrsunfall vor einem Zivilgericht verhandelt. Nach folgender Schrittweise wird verfahren:
- Klageschrift beim zuständigen Gericht einreichen
- Gerichtskostenvorschuss wird fällig
- Prozessbeginn: Beweissichtung & Zeugenvernehmung
- Das richterliche Urteil entscheidet über Schuldfrage und Schmerzensgeldhöhe
- Fristgerechte Auszahlung des Schmerzensgeldes