1. Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
Eine betriebsbedingte Kündigung ist eine Form der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber. Sie kommt in Betracht, wenn der Arbeitgeber aufgrund betrieblicher Umstände gezwungen ist, Personal abzubauen – zum Beispiel infolge von Auftragsrückgängen, einer Umstrukturierung oder der Schließung von Betriebsteilen.
Die Besonderheit dieser Kündigungsart liegt darin, dass nicht das Verhalten oder die Person des Arbeitnehmers ausschlaggebend ist, sondern die Entscheidung des Unternehmens, bestimmte Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen zu lassen. Arbeitgeber müssen hierbei jedoch strenge rechtliche Voraussetzungen beachten, insbesondere wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist.
Wann findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung?
Das Kündigungsschutzgesetz gilt für Arbeitsverhältnisse, die länger als 6 Monate bestanden haben und bei einem Arbeitgeber mit regelmäßig mehr als 10 Vollzeitbeschäftigten geführt werden. Teilzeitkräfte werden dabei anteilig berücksichtigt.
Ist das KSchG anwendbar, darf eine Kündigung nur ausgesprochen werden, wenn sie sozial gerechtfertigt ist – das bedeutet, sie muss auf personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen beruhen.
Bei betriebsbedingten Kündigungen wird also genau geprüft, ob die betrieblichen Erfordernisse tatsächlich vorliegen und die Auswahl der gekündigten Person rechtlich korrekt erfolgt ist.
Wann ist eine Kündigung aus betrieblichen Gründen rechtlich zulässig?
Für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung müssen insbesondere vier Voraussetzungen erfüllt sein:
- Dringende betriebliche Erfordernisse: Es muss objektive Gründe geben, die den dauerhaften Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze rechtfertigen – z. B. Rationalisierungs- oder Outsourcing Maßnahmen.
- Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit: Der Arbeitgeber muss prüfen, ob der oder die betroffene Arbeitnehmerin auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann.
- Ordnungsgemäße Sozialauswahl: Wenn mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen sein könnten, muss der Arbeitgeber nach sozialen Gesichtspunkten entscheiden, wen es trifft (siehe nächster Abschnitt).
- Form und Frist: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und die gesetzlichen bzw. vertraglichen Kündigungsfristen einhalten (§ 623 BGB).
Kann der Arbeitgeber diese Voraussetzungen nicht lückenlos darlegen und beweisen, ist die Kündigung unzulässig.
Was genau ist die Sozialauswahl – und wie läuft sie ab?
Bei der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) muss der Arbeitgeber unter den vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern diejenigen auswählen, deren Kündigung sozial am wenigsten belastend wäre.
Vergleichbar sind Beschäftigte dann, wenn sie nach ihrer Qualifikation und bisherigen Tätigkeit grundsätzlich untereinander austauschbar sind – etwa weil sie innerhalb derselben Abteilung oder auf gleichwertigen Positionen arbeiten.
Bei der Sozialauswahl sind vier gesetzlich festgelegte Kriterien zu berücksichtigen:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten (z. B. gegenüber Kindern oder Ehepartnern)
- Schwerbehinderung
Arbeitgeber haben bei der Bewertung dieser Kriterien einen gewissen Beurteilungsspielraum, sind jedoch verpflichtet, ihre Entscheidung transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren. Um die Auswahl objektiv zu gestalten, ist es in der Praxis üblich, ein Punktesystem zu verwenden.
Ein Beispiel:
- Pro Lebensjahr: 1 Punkt
- Pro Jahr der Betriebszugehörigkeit: 2 Punkte
- Pro unterhaltsberechtigtes Kind: 4 Punkte
- Unterhaltsberechtigten Ehepartner: 8 Punkte
- Pro Grad der Behinderung (GdB): 0,2 Punkte
Je höher die Gesamtpunktzahl, desto sozial schutzwürdiger ist die betreffende Person – und desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie im Rahmen der Sozialauswahl gekündigt wird.
Ausnahmen sind zulässig, etwa bei leitenden Angestellten, unersetzbaren Spezialistinnen und Spezialisten oder Beschäftigten, deren Position für das Unternehmen von besonderer Bedeutung ist. In solchen Fällen kann die betreffende Person aus der Sozialauswahl herausgenommen werden – allerdings nur mit einer plausiblen und rechtlich haltbaren Begründung.
Im Ergebnis bedeutet die Sozialauswahl in der Praxis, dass es in der Regel diejenigen trifft, die jünger sind, kürzer im Betrieb beschäftigt waren, keine familiären Unterhaltspflichten haben und keine anerkannte Schwerbehinderung haben.
Eine fehlerhafte oder nicht ordnungsgemäß dokumentierte Sozialauswahl ist einer der häufigsten Gründe, warum betriebsbedingte Kündigungen in arbeitsgerichtlichen Verfahren für unwirksam erklärt werden.
Beispiel: Korrekte Sozialauswahl
Ein Unternehmen muss in der Buchhaltungsabteilung eine von vier vergleichbaren Stellen abbauen. Alle vier Personen üben im Wesentlichen die gleiche Tätigkeit aus. Die Auswahl nach den gesetzlich vorgeschriebenen sozialen Kriterien könnte sich folgendermaßen darstellen:
|
Alter |
Betriebszugehörigkeit |
Unterhaltspflichten |
Schwerbehinderung |
Person |
|
|
|
|
A |
45 |
12 Jahre |
2 Kinder |
nein |
B |
28 |
3 Jahre |
keine |
nein |
C |
51 |
20 Jahre |
1 Kind |
ja (Grad 40) |
D |
38 |
7 Jahre |
keine |
nein |
Nach Abwägung aller Kriterien ist Person B sozial am wenigsten schutzwürdig:
- Jüngstes Alter
- Kürzeste Betriebszugehörigkeit
- Keine Unterhaltspflichten
- Keine Schwerbehinderung
Daher ist es rechtlich zulässig und nachvollziehbar, Person B auszuwählen, sofern alle anderen Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung ebenfalls erfüllt sind (z. B. Wegfall des Arbeitsplatzes und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit).