1. Was ist Ärztepfusch?
Wer sich einer ärztlichen Behandlung unterzieht, vertraut darauf, dass diese fehlerfrei gemäß anerkannter medizinischer Standards erfolgt. Verstoßen Ärzte gegen diese Vorschriften und schädigen dadurch die Gesundheit eines Patienten, liegt Ärztepfusch vor.
Arztfehler können bei der Aufklärung von Patienten, während der Behandlung oder der Dokumentation passieren. Geschädigte haben Anspruch auf finanzielle Entschädigung.
Bei unvorhersehbaren oder unvermeidbaren Komplikationen während eines Eingriffs oder erfolgloser Behandlung liegt hingegen kein Ärztepfusch vor.
Ärztliche Pflichten & mögliche Fehler
Ordnungsgemäße Behandlung
Ärzte sind zur korrekten Behandlung verpflichtet. Ärztepfusch kann vorliegen bei der Anamnese, Befunderhebungsfehlern, Diagnosefehlern, Therapie und Nachsorge, Nicht-Einhaltung der Hygienevorschriften oder der Verwendung technischer Hilfsmittel.
Aufklärung
Klären Ärzte einen Patienten nicht über Behandlungsverlauf, Risiken, Krankheitsbild, Therapie, alternative Behandlungsmöglichkeiten sowie wirtschaftliche und versicherungsrechtliche Folgen auf, liegt Ärztepfusch vor.
Dokumentation
Ärzte sind dazu verpflichtet, jeden Behandlungsschritt in der Patientenakte zu dokumentieren. Unzureichende Dokumentation kann als Ärztepfusch ausgelegt werden.
Beispiel-Fälle
Urteil vom OLG Oldenburg, 14.11.1990, Az. 5 U 114/89
Ein Gynäkologe zeichnete während der Geburt die Herztöne des Kindes nicht auf. So blieb unbemerkt, dass das Herz des Neugeborenen aussetzte. Das Baby erlitt aufgrund des Behandlungsfehlers einen Hirnschaden. Der behandelnde Arzt muss für seinen Fehler Schadensersatz zahlen.
Urteil vom OLG Frankfurt, 21.03.2017 – 8 U 228/11
Nach ihrem Aufenthalt in Südafrika bekam die Klägerin anhaltenden Durchfall und Fieber. Dass Malaria die Ursache für die Beschwerden ist, erkannte der behandelnde Arzt nicht. Aufgrund des Diagnosefehlers erlitt die Patientin ein Hirnödem und weitere Folgeschäden.
Das Gericht verurteilte den Arzt zur Zahlung einer Entschädigung.
2. Wann besteht Anspruch auf Entschädigung?
Nicht jeder Fehler des Arztes führt zu einem Anspruch auf Entschädigung. Sie steht Patienten beispielsweise nicht nach schicksalshaften, unvermeidbaren Komplikationen zu.
Es muss ein bewusster Fehler vorliegen, der nachweislich zum verschlechterten Gesundheitszustand geführt hat. Betroffene müssen den Ärztepfusch eindeutig beweisen können, um Anspruch auf Entschädigung zu haben. Im Regelfall tragen sie die Beweislast, nicht der Arzt.
Ärztepfusch muss nachweisbar sein
Folgendes müssen Geschädigte für eine Entschädigung beweisen:
- Ein Gesundheitsschaden ist entstanden
- Der Schaden ist auf ein fehlerhaftes Verschulden des Arztes zurückzuführen
- Das Behandlungsrisiko wäre für den Arzt beherrschbar gewesen
- Der Anspruch ist nicht verjährt.
Gelingt das nicht, haben sie keinen Anspruch auf die Zahlung einer Entschädigung.
Ist die Dokumentation der Behandlung unzureichend, müssen Arzt oder Krankenhaus beweisen, dass kein Ärztepfusch vorliegt.
Diese sogenannte Umkehr der Beweislast erfolgt auch, wenn:
- eine unqualifizierte Person aufgrund vermeidbarer Fehlorganisation die Behandlung vornahm.
- der behandelnde Arzt nicht auf eindeutige Symptome reagiert.
- bekannte Standardmethoden keine Anwendung fanden.
Verjährung ausschließen
Ihren Anspruch auf Entschädigung müssen Geschädigte innerhalb von 3 Jahren einfordern. Ansonsten verjährt er. Die 3-jährige Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem Patienten vom Gesundheitsschaden Kenntnis erlangt haben.
Beispiel: Im Oktober 2018 unterläuft einem Arzt während eines Eingriffes ein Fehler. Erst im Januar 2019 treten gesundheitliche Beschwerden beim Patienten auf. Während der Behandlung stellt sich heraus, dass die fehlerhafte Operation im Oktober 2018 Ursache für die Beschwerden ist.
Die Verjährungsfrist zur Durchsetzung einer Entschädigung von Arzt oder Krankenhaus beginnt im Dezember 2019 und endet im Dezember 2022.
Lässt sich die Verjährung verhindern?
Ja. Rechtliche Schritte, beispielsweise eine Klageeinreichung, einzuleiten, verhindert die Verjährung.
Handeln Geschädigte 3 Jahre lang nicht, verfallen mit Ablauf der Verjährungsfrist sämtliche Entschädigungsansprüche nach einem Ärztepfusch.
Ein Feststellungsantrag verhindert, dass der Anspruch auf Entschädigung für zukünftige, noch nicht absehbare Folgeschäden verfällt. Mit dem Antrag verlängert sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre.