Wichtig: Verjährungsfristen beachten
Ansprüche auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz nach einem Arztfehler verjähren gemäß § 195 BGB nach 3 Jahren, wobei die Frist am Ende des Jahres beginnt, in welchem der geschädigte Patient vom Arztfehler und dessen gesundheitlichen Folgen erfahren hat.
Beispiel: Im Oktober 2017 wird bei einer Operation eine chirurgische Klemme im Brustkorb eines Patienten vergessen, die anschließend erhebliche Schäden an Lunge und Herz verursachte. Der Arztfehler wird allerdings erst im darauffolgenden Jahr bekannt. Somit beginnt die Verjährungsfrist am 31.12.2018 und endet am 31.12.2021.
Sobald Verhandlungen über eine mögliche Entschädigung zwischen dem geschädigten Patienten und der Gegenseite (Arzt, Krankenhaus oder deren Haftpflichtversicherung) begonnen wurden, wird die Verjährung für diese medizinrechtlichen Ansprüche gehemmt – ein etwaiger Anspruch kann in dieser Zeit nicht verjähren, zudem setzt sich diese Hemmung bis drei Monate nach Ende der Verhandlungen fort.
Unabhängig jeglicher Hemmungen und Verzögerungen der Verjährungsfrist verjähren gemäß § 199 BGB jegliche Ansprüche auf Entschädigung bei einem Arztfehler nach 30 Jahren.
Ausführlichere Informationen zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen und welche Sonderregelungen es hier gibt, finden Sie in unserem Beitrag zum Thema Verjährung Schadensersatz.
3. Die Höhe der Entschädigung bei einem Arztfehler
Sollte ein Arztfehler und dessen gesundheitliche Folgen zweifelsfrei nachweisbar sein, steht dem geschädigten Patienten gemäß § 823 BGB neben Schmerzensgeld ggf. auch Schadensersatz zu. Welche Anforderungen dafür erfüllt sein müssen und wie hoch eine etwaige Entschädigung ausfallen kann, erklären wir Ihnen jetzt.
Schmerzensgeld
Bei immateriellen Schädigungen wie Verletzungen, Entstellungen oder Langzeitschäden nach einem Arztfehler können betroffene Patienten einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend machen. Ein solcher Anspruch wird allerdings nur bei erheblichen und langfristigen Verletzungen begründet. Die genaue Höhe eines etwaigen Schmerzensgeldes ist neben den erlittenen Schäden und den damit verbundenen Folgen auch von verschiedenen anderen Faktoren abhängig wie
- Art und Umfang der physischen & psychischen Folgen des Arztfehlers,
- Dauer des Heilungsprozesses,
- Auswirkungen auf Alltag & berufliche Situation des geschädigten Patienten.
Eine pauschale Aussage über die Höhe von Schmerzensgeld nach einem Arztfehler lässt sich also nicht treffen – diese muss unter Berücksichtigung des individuellen Einzelfalls bestimmt werden.
Für die Berechnung einer konkreten Schmerzensgeldsumme wird auf sogenannte Schmerzensgeldtabellen zurückgegriffen. Diese stellen eine Übersicht über verschiedene Urteile deutscher Gerichte zum Schmerzensgeld bei immateriellen Schäden dar und können als erste Orientierung bei dessen Berechnung herangezogen werden.
In der folgenden Tabelle haben wir Ihnen einige Urteile zum Schmerzensgeld nach einem Arztfehler zusammengestellt:
Sachverhalt
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Schmerzensgeld
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Urteil
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Verabreichung eines unverträglichen Medikaments trotz bekannter Allergie
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250 Euro
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AG Neubrandenburg, 2011
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Unzureichende Risikoaufklärung vor Handoperation
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1.500 Euro
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OLG München, 2011
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Zahnprothetische Versorgung trotz unzureichender Aufklärung der Patientin, Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme, überempfindliche Zähne
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6.000 Euro
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OLG Hamm, 2016
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Arzt übersieht Zerrung des Handgelenks sowie Bänderriss
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10.000 Euro
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OLG Karlsruhe, 2007
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Verletzung der Speiseröhre bei Bandscheiben-OP, dauerhafte Schluckbeschwerden
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20.000 Euro
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OLG Hamm 2015
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Amputation einer Hand nach unnötiger Nervendurchtrennung
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40.000 Euro
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OLG Hamm, 2013
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Erblindung eines Kleinkindes nach unterlassener Überweisung zum Augenarzt
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90.000 Euro, monatliche Rente i. H. v. 290 Euro
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OLG Karlsruhe, 2007
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Mehrere Operationen, verschiedene Chemotherapien und Tod nach zweijährigem Leidensweg, weil Arzt Darmkrebserkrankung übersehen hat
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100.000 Euro
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OLG Braunschweig, 2010
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Patient wird zum schweren Pflegefall nach Diagnosefehler Spannungskopfschmerzen
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200.000 Euro Schmerzensgeld, 45.000 Euro Schadensersatz
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OLG Hamm, 2012
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Querschnittslähmung durch fehlerhafte Operation
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220.000 Euro
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OLG Hamm, 2004
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Schwerstbehindertes Baby nach zu spätem Kaiserschnitt
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600.000 Euro
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OLG Jena, 2009
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Geistige und körperliche Behinderung (100 %) eines Neugeborenen nach zu spät eingeleiteter Geburt
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700.000 Euro
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OLG Frankfurt, 2014
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Ausführlichere Informationen zu den von deutschen Gerichten in der Vergangenheit zugesprochenen Schmerzensgeldern bei verschiedenen immateriellen Schäden finden Sie in unserem umfassenden Beitrag zur Schmerzensgeldtabelle. Wie hoch Schmerzensgeld in diesen und ähnlichen Fällen ausfallen und wie es juristisch durchgesetzt werden kann, erklären wir Ihnen in unserem ausführlichen Beitrag zum Schmerzensgeldanspruch. Wie Sie sich bei Fehlern des medizinischen Personals von Arztpraxen oder Krankenhäusern wehren können, erläutern wir Ihnen in unseren Beiträgen zu den Schwerpunkten Arzt verklagen, Zahnarzt verklagen und Krankenhaus verklagen.
Schadensersatz
Oftmals kann für von Arztfehlern betroffene Patienten auch ein Anspruch auf Schadensersatz für die materiellen Schäden bestehen, die in diesem Zusammenhang entstanden sind. Dessen Höhe wird anhand der entstandenen Aufwendungen und Kosten berechnet. Für die folgenden Schadenspositionen lässt sich so u. a. Schadensersatz geltend machen:
- Gesundheitliche Schäden: Therapie- und Medikamentenkosten,
- Schäden bezüglich der Haushaltsführung: Kosten für etwaige Haushaltshilfe,
- Erwerbschäden: durch den Arztfehler entgangenes Einkommen,
- Mehrbedarfsschäden: Pflegekosten, Kosten für behindertengerechten Umbau der Wohnung usw.
4. Durchsetzung einer Entschädigung nach einem Arztfehler
Um eine Entschädigung nach einem Arztfehler zu bekommen, bietet sich zunächst der Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit der Gegenseite – dem Arzt, dem Krankenhaus oder der gegnerischen Haftpflichtversicherung – an. Verweigert die Gegenseite eine Entschädigung und scheitert damit eine außergerichtliche Einigung, lässt sich diese gerichtlich durchsetzen.
Welche Voraussetzungen mit einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Durchsetzung von Schmerzensgeld und/oder Schadensersatz nach einem Arztfehler verbunden sind und welche Schrittfolge dabei eingehalten werden kann, erläutern wir Ihnen in diesem Kapitel.
Außergerichtliche Durchsetzung
Soll eine außergerichtliche Einigung mit der Gegenseite erreicht werden, kann man dieser zunächst eine schriftliche Forderung zukommen assen. Dieses formlose Anschreiben sollte u. a. folgende Angaben enthalten:
✓ Anschrift des geschädigten Patienten & des schädigenden Arztes bzw. der gegnerischen Haftpflichtversicherung,
✓ Einschätzung & Begründung einer angemessenen Entschädigung,
✓ Fristsetzung.
Um den Anspruch zweifelsfrei nachweisen zu können und somit die Forderung nach Schmerzensgeld und/oder Schadensersatz abzusichern, können dem Anschreiben zudem alle relevanten Dokumente beigefügt werden, die den Arztfehler und daraus resultierende Schäden und Kosten zweifelsfrei nachweisen. Dafür können u. a. folgende Dokumente infrage kommen:
✓ Behandlungsakten,
✓ ärztliche Dokumentation der Gesundheitsschäden,
✓ Belege für mögliche Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte & Therapiemaßnahmen,
✓ Sachverständigen-Gutachten zum Arztfehler & dessen Folgen,
✓ psychologische Gutachten.