1. Was ist ein ärztlicher Kunstfehler?
Ärzte, Psychotherapeuten, Hebammen, Krankenschwestern, Heilpraktiker und andere im Gesundheitswesen Tätige müssen ihre Patienten fachgerecht behandeln. Das bedeutet, sie müssen in allen Phasen nach aktuellen medizinischen Standards verfahren:
- Anamnese: Erforschung der Krankengeschichte
- Befunderhebung: Untersuchung des Patienten
- Diagnostik: Bestimmung der Krankheit
- Therapie: Behandlung der Krankheit
- Nachsorge: Nachbehandlung des Patienten
Kommt es beispielsweise wegen einer fehlenden Befunderhebung zur Fehldiagnose, stellt dies eine Verletzung der ärztlichen Behandlungspflicht dar. Verschlechtert sich dadurch der Gesundheitszustand des Patienten, handelt es sich um einen Behandlungsfehler. Er wird auch als Kunstfehler bezeichnet, da die Behandlung nicht den „Regeln der ärztlichen Kunst“ entsprach.
2. Welche Arten von Kunstfehlern gibt es?
Ein ärztlicher Kunstfehler kann rein medizinischen Charakters sein, aber auch bei der Verwaltung von Patientenakten oder der Bedienung technischer Geräte unterlaufen.
Daher lassen sich verschiedene Arten von Kunstfehlern unterscheiden:
- Anamnesefehler: Der Behandelnde befragt den Patienten nicht oder nur ungenau zu Beschwerden, bisherigen Behandlungen und Medikamenten.
- Befunderhebungsfehler: Ein Arzt klärt eindeutige Befunde – starke Schmerzen im Brustbereich und Atemnot – nicht ab. Infolge seines Befunderhebungsfehlers übersieht er einen Herzinfarkt.
- Diagnosefehler: Ein Orthopäde stellt eine falsche Diagnose. So führt z. B. der Diagnosefehler „Hexenschuss“ zur Fehlbehandlung einer akuten Hüftgelenksentzündung.
- Aufklärungsfehler: Klärt ein Chirurg seinen Patienten vor einer Operation nicht über Notwendigkeit, Ablauf, Risiken und Alternativen des Eingriffs auf, liegt ein Aufklärungsfehler vor.
- Operationsfehler: Amputiert ein Orthopäde beispielsweise das falsche Bein, vergisst Teile des Operationsbestecks im Patienten oder setzt defekte Implantate ein, handelt es sich um einen Operationsfehler.
- Therapiefehler: Der Verantwortliche verabreicht das falsche Medikament, dosiert es zu niedrig oder wählt eine unangebrachte Therapie aus.
- Pflegefehler: Ein Pflegebedürftiger wird falsch gebettet. Daher liegt er sich wund oder fällt aus seinem Krankenbett.
- Hygienefehler: Ein Behandelnder missachtet Hygienevorschriften und verwendet verunreinigtes OP-Besteck oder benutzt kein Desinfektionsmittel.
- Organisationsfehler: Ein Arzt übersieht bspw. eine schwangere Patientin im Wartesaal. Anschließend findet die Schwester den Schlüssel zum Kreißsaal nicht. Der Organisationsfehler führt zu Geburtsschäden.
- Dokumentationsfehler: Die ärztliche Behandlung ist nicht ausführlich in der Patientenakte dokumentiert.
- Bedienungsfehler: Der Warnton des Beatmungsgeräts ist ausgeschaltet. Durch den Bedienungsfehler findet keine fachgerechte Beatmung statt.
- Überweisungsfehler: Ein Allgemeinmediziner überweist seinen Patienten nicht oder verspätet an einen Spezialisten, sodass Folgeschäden bleiben.
- Nachsorgefehler: Ein Arzt weist z. B. nicht auf eine notwendige Umstellung der Ernährung oder medikamentenbedingte Fahruntauglichkeit hin.
3. Patientenrechte nach einem Kunstfehler
2013 verabschiedete der Bundestag das Patientenrechtegesetz und verankerte es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Neben einer Behandlung nach medizinischem Standard, dürfen Patienten Art und Umfang einer medizinischen Maßnahme selbst bestimmen oder einen Eingriff ganz ablehnen.
Zusätzlich stärkt es die Rechte von Patienten:
Informationsrecht
Die ärztliche Informations- und Aufklärungspflicht stellt sicher, dass Patienten alle Informationen zu Risiken, Chancen und Alternativen einer Behandlung erhalten. Das Aufklärungsgespräch muss verständlich sein und mindestens 24 Stunden vor einem Eingriff erfolgen, damit eine angemessene Zeit zur freien Willensbildung bleibt.
Der behandelnde Arzt ist im Falle eines Arztfehlers außerdem verpflichtet, sein Verschulden zuzugeben und auch auf die Fehler anderer Mediziner hinzuweisen.
Reiseschutzimpfungen, Akupunktur und Osteopathie zählen zu den individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), die die meisten Krankenkassen nicht übernehmen. Ein Patient ist daher vorab über die voraussichtlichen Behandlungskosten zu informieren. Ansonsten darf der Behandelnde die Kosten später nicht einfordern.
Recht auf Akteneinsicht
Die ärztliche Dokumentationspflicht gewährleistet, dass sämtliche Schritte der Behandlung (Befunde, Aufklärung, Eingriffe, Wirkungen, Einwilligung) ausführlich in der Patientenakte notiert sind. Der Patient darf seine Krankenunterlagen jederzeit einsehen und Kopien davon anfertigen.
- Lehnt ein Arzt die Einsichtnahme ab, muss er seine Entscheidung begründen.
- Fehlt in der Akte die Dokumentation einer medizinischen Maßnahme, ist zugunsten des Patienten zu vermuten, dass eine entsprechende medizinische Behandlung nicht erfolgte.
Recht auf Beratung
Deutschlandweit stehen Anlaufstellen zur Verfügung, die Patienten bei Verdacht auf einen Kunstfehler, z. B. durch ein Schlichtungsverfahren, unterstützen.
Dazu gehören:
- Anwälte für Behandlungsfehler
- Unabhängige Patientenberatung Deutschland
- Deutscher Patientenbund
- Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) & MDK
- Gesetzliche Pflegeversicherung
- Gutachterkommissionen der Ärztekammern
- Verbraucherzentralen
- Schlichtungsstellen der Krankenhäuser
- Ombudsmann der privaten Kranken- und Pflegeversicherung