Zusammenfassung: Vor- & Nachteile eines Erbverzichts
Ein Erbverzicht kann sowohl Vor- als auch Nachteile für den Erblasser und die Verzichtenden haben. Ob ein Erbverzicht eine Option für Sie ist, müssen Sie aus ihrer individuellen Situation heraus entscheiden – ein Anwalt kann Ihnen dabei helfen.
Vorteile:
- Erbverteilung schon zu Lebzeiten,
- freie Entscheidung über die Verteilung vom Nachlass,
- Erben können auf nicht gewolltes Erbe verzichten,
- verzichtende Erben können mit einer Abfindungszahlung entschädigt werden,
- nicht verzichtende Erben können abgesichert werden.
Nachteile:
- ein Erbverzicht ist nur für das gesamte Erbe oder den Pflichtteil möglich – nicht für einzelne Teile des Erbes,
- der Erbverzicht ist nur mit Einwilligung des Erblassers und des Erben rechtskräftig,
- das Erbe und der Pflichtteilsanspruch von nicht verzichtenden Erben wird erhöht.
4. Wie erstelle ich einen Erbverzicht?
Eine Erbverzichtserklärung muss vertraglich geregelt und notariell beurkundet werden. Dafür müssen beide Vertragsparteien anwesend sein – der Verzichtende darf sich vertreten lassen, während der Erblasser persönlich anwesend sein muss. Deshalb muss ein Erbverzichtsvertrag zu Lebzeiten des Erblassers erstellt werden und ist danach nur mit Einverständnis beider Parteien änderbar.
Im Erbverzichtsvertrag können die genauen Inhalte des Verzichts geregelt werden – beispielsweise worauf verzichtet wird, wer verzichtet und ob eine Abfindung gezahlt werden soll.
Abfindungszahlung
Wie oben genannt, können verzichtende Erben mit einer Abfindungszahlung entschädigt werden. Die Höhe der Zahlungen können individuell im Erbverzichtsvertrag festgehalten werden. In den meisten Fällen wird sich an der Höhe des Pflichtteils orientiert – somit bekommen die Verzichtenden den Teil vom Nachlass, der ihnen sowieso bei einer Enterbung zustehen würde.
Inhalt eines Erbverzichts
In einem Erbverzichtsvertrag müssen in jedem Fall die Daten des Erblassers und des verzichtenden Erben vermerkt sein. Der Inhalt kann individuell angepasst werden und bedarf deshalb keiner besonderen Form. Der Erbverzicht sollte aber Regelungen über den Teil enthalten, auf den sich der Verzicht bezieht, und bestimmen, welche Gegenleistungen erbracht werden müssen.
Beispiel:
„Hiermit verzichtet Frau Mustermann gegenüber ihrem Vater Herrn Mustermann gemäß § 2346ff. BGB auf ihr gesetzliches Erbrecht. Der Verzicht gilt auch für alle Nachkommen von Frau Mustermann. Der Verzicht wird erst rechtskräftig, wenn Herr Mustermann eine Abfindungszahlung in Höhe von 5.000 € an Frau Mustermann gezahlt hat. Alle Kosten, die durch Errichtung des Erbverzichtsvertrages anfallen, werden von Herrn Mustermann getragen.“
Kosten eines Erbverzichts
Bei der Beurkundung von Erbverzichtsverträgen fällt eine doppelte Notargebühr an. Diese berechnet sich laut § 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes je nach Höhe des Vermögens, über das der Verzicht erklärt wird.
Besteht ein Vermögen zum Beispiel aus 100.000 € Bankguthaben und einem Wohngrundstück im Wert von 400.000 €, beträgt der Geschäftswert zur Berechnung der Notarkosten 500.000 €. Die doppelte Gebühr würde sich auf 1.870 € belaufen.
Bei der Berechnung werden Verbindlichkeiten des Erblassers zwar von seinem Vermögen abgezogen – jedoch nur bis zur Hälfte des Wertes des Vermögens.
Hat der Erblasser im eben genannten Beispiel etwa 300.000 € Schulden, werden 150.000 € vom Geschäftswert abgerechnet. Der Geschäftswert würde 350.000 € und die Notargebühren nur noch 1.370 € betragen.
5. Auswirkungen des Erbverzichts
Gesetzliche Erbfolge
Durch eine Erbverzichtserklärung werden die Verzichtenden automatisch von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Sie können deshalb weder erbrechtliche Ansprüche noch Pflichtteilsansprüche geltend machen. Der Erbteil des verzichtenden Erbens wird gleichmäßig auf die restlichen Erben verteilt und erhöht damit ihren Teil am Nachlass.
Pflichtteil
Wer einen Erbverzicht unterzeichnet, verzichtet laut § 2346 BGB grundsätzlich auch auf seinen Pflichtteil am Erbe. Es kann jedoch auch im Erbverzicht geregelt werden, dass kein Ausschluss vom Pflichtteil stattfinden soll.
Besonders vorteilhaft stellt sich ein Erbverzicht für den Erblasser heraus – er kann seinen Nachlass ohne Rücksicht auf mögliche Pflichtteilsrechte auf alle nicht verzichtenden Erben verteilen oder schon zu Lebzeiten übertragen.
Sofern die verzichtenden Erben keine Alleinerben sind, sollten sie jedoch beachten, dass sowohl der Pflichtteil als auch der Erbteil der anderen Erben durch ihren Erbverzicht höher ausfällt.
Kinder des Verzichtenden
Falls es nicht anders vereinbart wurde, erstreckt sich der Erbverzicht automatisch auch auf die Erben des Verzichtenden. Unterzeichen Sie also einen Erbverzichtsvertrag, werden auch Ihre Kinder von dem Erbe ausgeschlossen.
Die freie Gestaltung der Erbverzichtserklärung ermöglicht es jedoch, dass die Erben des Verzichtenden von dem Erbverzicht ausgeschlossen werden und somit am Nachlass beteiligt werden können.
6. Aufhebung eines Erbverzichts
Eine vertragliche Erbverzichtserklärung kann nach dem Abschluss nicht widerrufen werden. Nur mit Einwilligung der beiden Parteien, die den Erbverzicht unterschrieben haben, kann mit einem neuen Vertrag eine Aufhebung oder Änderung geregelt werden. Wird ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen, tritt die erbrechtliche Situation ein, die vor dem Erbverzicht bestand und der Verzichtende wird wieder Erbe.
Wie schon der Erbverzichtsvertrag bedarf auch der Aufhebungsvertrag einer notariellen Beurkundung.
7. Anfechtung eines Erbverzichts
Wie andere Verträge kann auch eine Erbverzichtserklärung angefochten werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Ein Erbverzicht wird laut § 119 BGB unwirksam, wenn ein Irrtum bei der Erstellung des Vertrags vorgelegen hat – also wenn der Inhalt beispielsweise durch Irrtum entstanden ist oder der Verzichtende die Erklärung gar nicht abgeben wollte. Zudem bestimmt § 123 BGB einen Erbverzichtsvertrag als nicht rechtskräftig, wenn er durch eine Täuschung oder Drohung entstanden ist.
Die sogenannte Sittenwidrigkeit kann einen Erbverzicht ebenso unwirksam machen. Diese liegt beispielsweise vor, wenn der Erblasser einem wirtschaftlich unerfahrenen Verzichtenden eine Abfindung auszahlen möchte, die nicht im Verhältnis zum Verzicht steht und die Unerfahrenheit somit zu seinen Gunsten ausnutzt.
Beispielfall:
Ein Vater hat seinem 18-jährigen Sohn im Gegenzug zum Ausbildungsabschluss mit der Note „sehr gut“ sowie einem Erbverzicht seinen neu erstandenen Sportwagen zum 25. Geburtstag versprochen. Der Sohn willigte ein und es wurde eine Erbverzichtserklärung beim Notar erstellt. Später bekam der Sohn Zweifel an der Abmachung und forderte, dass der Erbverzicht rückgängig gemacht werden solle. Das Oberlandesgericht Hamm urteilte daraufhin, dass der Erbverzicht aufgrund der Unerfahrenheit des Sohnes, die der Vater versuchte auszunutzen, sittenwidrig und somit nicht rechtskräftig ist.
8. Tipp: kostenlose Ersteinschätzung im Erbrecht
Wollen Sie frei über die Verteilung Ihres Nachlasses entscheiden oder ein Unternehmen an eines Ihrer Kinder weitergeben, können Sie mit Einverständnis Ihrer Erben einen Erbverzichtsvertrag aufsetzen. Die Ausarbeitung des Erbverzichts kann sich allerdings als schwierig herausstellen, wenn die zu verzichtenden Erben auf ihr Erbrecht bestehen oder andere Forderungen an Sie stellen. Ein Anwalt für Erbrecht hilft Ihnen gern, einen Erbverzicht durchzusetzen und zeigt Ihnen verschiedene Handlungsmöglichkeiten auf.
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