Neben der Einhaltung der Anfechtungsfrist müssen Erben einen Anfechtungsgrund nachweisen. Im nächsten Abschnitt erfahren Sie daher, welche Gründe zu einer Anfechtung des Erbscheins berechtigen.
4. Fünf Gründe, warum Sie einen Erbschein anfechten können
Durch die Beantragung des Erbscheins gilt das Erbe automatisch als angenommen – eine Erbausschlagung ist dann nicht mehr möglich. Erben können die Erbschaft dann nur noch abwenden, indem sie den Erbschein anfechten. Dafür muss aber ein Anfechtungsgrund nachgewiesen werden. Folgende Gründe kommen hier infrage:
- Erklärungsirrtum: Ein solcher Irrtum liegt u. a. vor, wenn der Erbe etwas ganz anderes erklären wollte und den Erbschein fälschlicherweise beantragt hat.
- Inhaltsirrtum: Dieser liegt vor, wenn ein Erbe den Erbschein beantragt und nicht weiß, was das bedeutet – z. B. weiß er nicht, dass eine Beantragung des Erbscheins die Annahme der Erbschaft zur Folge hat.
- Motivirrtum: Geht der Erbe bei der Beantragung des Erbscheins von bestimmten Umständen aus, die aber nicht zutreffen, liegt ein Motivirrtum vor. Das ist z. B. der Fall, wenn der Erbe von einer bestimmten Wertigkeit des Nachlasses ausgeht, dieser aber überschuldet ist.
- Arglistige Täuschung: Wurde der Erbe absichtlich getäuscht, damit er den Erbschein beantragt, folgt daraus in der Regel ein Erklärungs-, Inhalts- oder Motivirrtum.
- Drohung: Wurde der Erbe zur Beantragung des Erbscheins gezwungen, ist die Beantragung ggf. unwirksam.
5. Wie kann man einen Erbschein anfechten?
Liegt ein Anfechtungsgrund vor, kann ein Erbe den Erbschein anfechten – wie das abläuft, erklären wir Ihnen jetzt.
Ablauf einer Anfechtung des Erbscheins
Soll ein Erbschein angefochten werden, ist folgende Schrittfolge einzuhalten:
1. Anfechtungsgrund nachweisen:
Zunächst muss ein Anfechtungsgrund durch qualitätsvolle Beweise nachgewiesen werden. Diese sind letztlich entscheidend für den Erfolg der Anfechtung. Die alleinige Beweislast liegt dabei beim Anfechtenden. Ist der Grund nicht stichhaltig oder nicht rechtssicher dargelegt, stehen Ihre Chancen schlecht. Hier kann Sie ein Anwalt unterstützen.
2. Anfechtungserklärung einreichen:
Damit die Anfechtung Aussicht auf Erfolg hat, muss die Anfechtungserklärung zudem form- und fristgerecht gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht erklärt werden. Dazu muss sie gemäß § 1955 BGB gegenüber dem Nachlassgericht zur Niederschrift oder in notariell beglaubigter Form abgegeben werden.
3. Abschluss der Anfechtung:
Bei erfolgreicher Anfechtung wird der Erbschein für nichtig erklärt und ist somit unwirksam. In der Folge gilt das Erbe nicht mehr als angenommen, weil der angefochtene Erschein gemäß § 142 Abs. 1 BGB rechtlich so behandelt wird, als hätte er niemals existiert. Kann hingegen kein Anfechtungsgrund nachgewiesen werden, behält der Erbschein seine Wirkung.
Sollte ich einen Anwalt kontaktieren?
Ohne juristischen Beistand riskieren Sie im schlimmsten Fall, dass ein potentiell durchsetzbarer Anfechtungsgrund nicht erkannt oder nicht rechtssicher dargelegt wird – Ihre Anfechtung würde somit negativ enden und Sie müssen für z. B. ein überschuldetes Erbe haften. Hier kann ein Anwalt helfen.
Weitere Gründe, die für einen Anwalt sprechen, sind:
- Ein erfahrener Anwalt kann prüfen, ob ein Anfechtungsgrund vorliegt und welche Erfolgsaussichten mit einer Anfechtung verbunden sind.
- Ein Anwalt kann die notwendige Anfechtungserklärung aufsetzen und diese form- und fristgerecht einreichen. Hinweis: Ein Anwalt haftet für die Fehlerfreiheit der Einreichung, weswegen dieser mit großer Sorgfalt arbeiten wird.
- Die Auseinandersetzung mit dem zuständigen Nachlassgericht übernimmt ebenfalls der Anwalt. Sie können sich also auf Ihren Alltag konzentrieren und haben Ihren Kopf für die wichtigen Dinge des Lebens frei.
6. Kosten: Wie hoch sind die Kosten, wenn ich einen Erbschein anfechte?
Beauftragen Sie einen Anwalt mit der Anfechtung Ihres Erbscheins, entstehen dafür Kosten.
- Die Anwaltskosten richten sich dabei nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Als Basis dient der sogenannte Streitwert.
- Alternativ können Sie jedoch auch individuelle Absprachen mit Ihrem Anwalt treffen und eine Honorarvereinbarung vereinbaren.
Die Anwaltskosten nach dem RVG werden neben dem Streitwert noch durch einen weiteren Faktor bestimmt – einer Art Multiplikator. Dieser kann zwischen 0,1 und 2,5 liegen. In der Regel berechnen Anwälte eine Mittelgebühr von 1,3.
Für die Bestimmung sind die folgenden Umstände maßgebend:
- die konkrete Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten,
- der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,
- die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Mandanten.
Hier finden Sie einige Kostenbeispiele für die Anfechtung eines Erbscheins:
Streitwert
|
Gebühr
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Anwaltskosten (inkl. MwSt.)
|
1.000 €
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1,3-Gebühr
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147,56 €
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10.000 €
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1,3-Gebühr
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887,03 €
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100.000 €
|
1,3-Gebühr
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2.348,94 €
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500.000 €
|
1,3-Gebühr
|
4.994,31 €
|
1.000.000 €
|
1,3-Gebühr
|
7.314,81 €
|
Wird die Anfechtungserklärung in notariell beglaubigter Form abgeben, entstehen dafür weitere Kosten. Der Notar berechnet für die notarielle Beglaubigung die 0,2-fache Gebühr, welche im Gerichts- und Notargesetz (GNotKG) geregelt ist. Die gesetzlich geregelte
- Mindestgebühr für eine Unterschriftbeglaubigung beträgt allerdings 20 Euro,
- die Höchstgebühr maximal 70 Euro.
7. Tipp: kostenlose Ersteinschätzung zur Anfechtung eines Erbscheins
Wenn Sie einen Erbschein anfechten, können Sie z. B. einem überschuldeten Nachlass entgehen und so ein finanzielles Risiko für sich abwenden. Ein Anwalt kann Ihre Situation bewerten und Sie bei der Anfechtung unterstützen. Schon vorab können Sie mit dem Anwalt besprechen, ob Sie überhaupt die Möglichkeit einer Anfechtung haben, wie hoch die Erfolgschancen sind und welche Kosten damit verbunden sind.
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