Wurden nahe Verwandte vom Erbe ausgeschlossen, steht Ihnen in der Regel dennoch ein Anteil am Nachlass des Verstorbenen zu – dies ist der sogenannte Pflichtteil. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie hoch der Pflichtteil ist, wann Verjährungsfristen einsetzen und ob Sie Pflichtteilsergänzungsansprüche haben. Mithilfe unserer Pflichtteilsrechner können Sie zudem Ihren Pflichtteil und dazugehörige Verjährungsfristen selbst berechnen.
Der Pflichtteil greift immer dann, wenn nahe Angehörige von einem Erbe ausgeschlossen und damit enterbt wurden oder wenn ihnen zu wenig vermacht wurde. Gemäß § 2303 BGB steht ihnen dann – trotz des gegensätzlichen Willens des Erblassers – ein gewisser Teil der Erbmasse zu. Grundsätzlich beträgt der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Anspruchs eines Erbens. Trotz des Anspruchs bekommen Berechtigte den Pflichtteil nicht automatisch ausgezahlt – er muss erst explizit von ihnen eingefordert werden.
Nur Pflichtteilsberechtigte können sich einen Pflichtteil auszahlen lassen. Zu diesen gehören nach § 2303 des BGB folgende Verwandte:
Nicht pflichtteilsberechtigt sind Geschwister, Großeltern oder entfernte Verwandte des Verstorbenen.
Nicht jeder Pflichtteilsberechtigte hat im Erbfall Anspruch auf den Pflichtteil. Hat ein Erblasser Kinder, haben diese vorrangige Ansprüche. Die Eltern des Erblassers können den Pflichtteil nur geltend machen, wenn keine Kinder oder Enkelkinder existieren.
Der Ehegatte hat eine Sonderstellung und kann seinen Pflichtteil immer einfordern.
Ob Sie in Ihrer individuellen Familiensituation pflichtteilsberechtigt sind, erfahren Sie weiter unten im Pflichtteilsrechner.
Die Höhe des Pflichtteils ist von der Erbmasse und der gesetzlichen Erbquote abhängig. Daher ist es wichtig, dass Sie sich zunächst einen Überblick über die Nachlasshöhe verschafft haben – nur so können Sie Ihren gesetzlichen Erbteil berechnen.
Wissen Sie dann, wie viel der gesetzliche Erbanteil beträgt, folgt die Pflichtteil-Berechnung: die Pflichtteil-Höhe beträgt genau 50 % des gesetzlichen Erbteils.
Bei der Pflichtteil-Berechnung müssen alle weiteren pflichtteilsberechtigten enterbten Verwandten berücksichtigt werden.
Beispiel: Die zwei einzigen Kinder eines Witwers würden bei dessen Tod nach gesetzlichen Vorschriften jeweils 50 % des Nachlasses erben. Nach der Pflichtteilsberechnung stehen den Kindern demzufolge 25 % des Erbes zu.
Um sich einen Überblick über den Umfang des Nachlasses zu verschaffen und Ihren Pflichtteil berechnen zu können, sollten Sie nach § 2314 BGB zunächst Auskunft bei den Erben verlangen. Den Anspruch auf Auskunft können Sie bei Nicht-Kooperation des Erben gerichtlich durchsetzen. Die Erben müssen Ihnen für die Pflichtteil-Berechnung alle Aktiva, Passiva, Verträge und Schenkungen des Erblassers offenlegen. Wollen Sie sich über die Richtigkeit der Angaben absichern, können Sie die Ausstellung des Nachlassverzeichnisses durch einen Notar verlangen.
Haben Sie Zweifel an den Wertangaben des Erben, können Sie einzelne Gegenstände des Nachlasses von einem Gutachter schätzen und danach den Pflichtteil berechnen lassen.
Wenn die genaue Erbmasse bestimmt wurde, können Sie Ihren Pflichtteil berechnen – dabei hilft Ihnen unser Pflichtteilsrechner:
Der Pflichtteilsanspruch unterliegt einer regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Das bedeutet, Sie müssen Ihren Pflichtteil berechnen und ihn sich innerhalb von drei Jahren auszahlen lassen – ansonsten verjährt der Anspruch laut § 195, 199 BGB. Fristbeginn ist gemäß § 199 BGB immer das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist – also im Jahr des Erbfalls. Erfährt der Pflichtteilsberechtigte erst später vom Erbfall, gilt die Dreijahresfrist ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme. Spätestens nach 30 Jahren können allerdings keine erbrechtlichen Ansprüche mehr geltend gemacht werden.
Mit unserem Pflichtteilsrechner können Sie ganz einfach herausfinden, ob Ihr Anspruch bereits verjährt ist oder noch besteht:
Veranlasst ein Erblasser zu Lebzeiten eine Schenkung, wird dadurch der Nachlass geschmälert. Theoretisch würde sich dadurch auch der Pflichtteil von enterbten Verwandten verringern – doch dem wirkt der Pflichtteilsergänzungsanspruch entgegen. Werden zu Lebzeiten Teile eines Nachlasses verschenkt, haben Pflichtteilsberechtigte nach § 2330 BGB einen Ausgleichsanspruch – den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Der Wert, der durch die Schenkung am Pflichtteil verloren geht, muss demnach ausgeglichen und bei der Pflichtteilsberechnung beachtet werden.
Beispiel: Wird einem Pflichtteilsberechtigten weniger vererbt, als ihm nach Pflichtteil-Berechnung zusteht, kann er gegen die Miterben einen Anspruch auf Ausgleich in Höhe der Differenz zum vollen Pflichtteil geltend machen. Beträgt ein Gesamterbe etwa 80.000 € und Kind 1 wird mit 10.000 € bedacht, Kind 2 hingegen mit 70.000 €, kann Kind 1 von Kind 2 eine Ausgleichszahlung in Höhe von 10.000 € verlangen. Wie oben beschrieben, ergibt sich die Pflichtteil-Höhe aus der Hälfte der gesetzlichen Erbquote – in diesem Fall sind es 50 % von 40.000 € also 20.000 €. Kind 1 stehen also 10.000 € mehr zu, als er geerbt hat. Diese Summe kann er nun von Kind 2 herausverlangen.
Die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs hängt vom Wert der Schenkungen ab. Bei der Pflichtteil-Berechnung spielen laut der Zehn-Jahres-Frist nur Schenkungen der letzten zehn Jahre eine Rolle – alle Schenkungen, die davor stattfanden, werden nicht mit eingerechnet. Anstandsschenkungen wie Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenke werden aber nicht berücksichtigt und begründen somit keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Schenkungen werden übrigens grundsätzlich nach dem Abschmelzmodell berechnet. Je länger eine Schenkung her ist, desto geringer ist der anzurechnende Wert.
Bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wird zwischen verbrauchbaren und nicht verbrauchbaren Sachwerten unterschieden:
Nach dem oben genannten Abschmelzmodell werden Ergänzungsansprüche prozentual je nach zeitlicher Entfernung zur Schenkung berechnet. Findet eine Schenkung innerhalb des letzten Jahres vor dem Todesfall statt, wird diese mit dem vollen Betrag angerechnet. Bei einer Schenkung, die zum Beispiel schon 6 Jahre entfernt ist, werden noch 50 % angerechnet und bei einer Schenkung von vor 9 Jahren nur noch 20 %.
Wie genau die prozentuale Anrechnung funktioniert und weitere Informationen können Sie in unserem ausführlichen Beitrag zum Pflichtteilsergänzungsanspruch nachlesen.
Pflichtteilsergänzungsansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren – wie auch der Pflichtteilsanspruch. Die Frist beginnt allerdings nicht schon bei Kenntnisnahme des Anspruches, sondern erst mit Ablauf des Jahres, indem der Anspruch entstanden ist. Erfahren Sie beispielsweise am 20.05.2017 von Ihrem Ergänzungsanspruch, beginnt die Anspruchsfrist erst am 31.12.2017 und verjährt am 01.01.2021. Erfährt ein Berechtigter erst später von dem Erbe, setzt auch erst dann die Verjährungsfrist ein. Über 30 Jahre sollte die Kenntnisnahme allerdings nicht dauern – denn dies ist die maximale Verjährungsfrist.
Wollen Sie einen Pflichtteilsergänzungsanspruch errechnen oder überprüfen, ob Ihr Anspruch bereits verjährt ist, können Sie dies einfach mit unserem Pflichtteilsrechner herausfinden:
Wurden Sie von einem nahen Verwandten enterbt und wollen Ihren Pflichtteil berechnen, helfen Ihnen dabei unsere Pflichtteilsrechner. Haben Sie weitere Fragen zur Pflichtteil-Berechnung, zum Vorgehen bei der Einforderung oder zum Ergänzungsanspruch, können Sie sich von einem Anwalt für Erbrecht beraten lassen.
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Einen gesetzlichen Anspruch auf den Pflichtteil am Erbe haben nahestehende Verwandte des Erblassers. Dazu gehören alle Abkömmlinge wie Kinder, Enkel und Urenkel (ehelich, außerehelich und adoptiert), Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner sowie die Eltern des Erblassers.
Der Pflichtteil vom Erbe wird gemäß den §§ 1924 bis 1936 BGB ermittelt. Zur Berechnung müssen Sie den Wert des Erbes kennen und wissen, wie viele Personen Anspruch auf einen Pflichtteil haben. Mit einem Online-Pflichtteilsrechner können Sie den möglichen Pflichtteilsanspruch ganz einfach berechnen.
Der Pflichtteil beträgt immer 50 % des gesetzlichen Erbteils. Die konkrete Höhe des Pflichtteils ist abhängig vom Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem und dem Nachlasswert. Je näher beide verwandt sind und je wertvoller der Nachlass, desto höher der gesetzliche Pflichtteil.