6. Eröffnung eines Ehegattentestaments
Die Eröffnung eines Testaments findet grundsätzlich an einem durch das Nachlassgericht festgelegten Eröffnungstermin statt. Den Anwesenden wird der Inhalt erklärt und Abwesende, die erbberechtigt sind, werden darüber per Post informiert. Gemäß § 2273 BGB gelten für den ersten und den zweiten Erbfall jeweils unterschiedliche Regeln für die Eröffnung des Testaments.
Erster Erbfall
Nach dem ersten Erbfall werden bei der Testamentseröffnung nur die Verfügungen von diesem und die davon abhängigen Verfügungen des anderen Partners verkündet – es wird also nicht das gesamte Testament eröffnet.
Zweiter Erbfall
Nach dem zweiten Erbfall wird das Ehegattentestament schließlich erneut eröffnet. Bei diesem Termin werden dann die Verfügungen des zweitverstorbenen Partners verkündet – danach ist den beteiligten Erben also das gesamte Ehegattentestament bekannt.
Ausführlichere Informationen finden Sie in unserem Beitrag „Testamentseröffnung“.
7. Änderung & Widerruf eines Ehegattentestaments
Grundsätzlich kann jedes Testament geändert oder widerrufen werden. Beim Ehegattentestament ist die Unterscheidung der verschiedenen Arten wichtig.
Bestehen Ehegattentestamente aus zwei getrennten Testamenten wie das gleichzeitig gemeinschaftliche und gegenseitige Testament, gelten für die Änderung und den Widerruf die gleichen Regeln wie bei einem Einzeltestament. Für eine Änderung wird in der Regel ein bestehendes Testament durch ein nachfolgendes ergänzt – es wird folglich ein neues Testament mit neuen Inhalten aufgesetzt. Daher bestehen zwei Testamente zur gleichen Zeit, die sich inhaltlich ergänzen. Für den Widerruf des Testaments ist lediglich die Vernichtung des Dokuments erforderlich – danach kann ein neues Testament aufgesetzt werden.
Wurden die Testamente von einem Notar aufgesetzt, muss dieser sowohl für die Änderung als auch für den Widerruf kontaktiert werden – das Testament ist schließlich amtlich verwahrt und würde trotz privatschriftlicher Änderung oder privater Vernichtung weiter bestehen.
Bei einem wechselbezüglichen Testament – wie das Berliner Testament – ist eine Änderung oder ein Widerruf nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Generell ist das nur zu Lebzeiten beider Ehepartner zulässig. Nach dem ersten Erbfall kann das Ehegattentestament weder geändert noch widerrufen werden – der länger lebende Partner kann nur dann wieder frei über seinen Nachlass verfügen, wenn eine Freistellungsklausel vereinbart wurde – oder durch eine Erbausschlagung.
Dabei kann das Ehepaar die Änderung oder den Widerruf gemeinsam veranlassen oder einer der Partner allein. Entscheiden sie sich für eine einvernehmliche Lösung, können sie ein gemeinschaftliches Widerrufstestament aufsetzen, einen widersprechenden Erbvertrag vereinbaren oder die Testamentsurkunde vernichten. Möchte einer der Partner das Ehegattentestament allein widerrufen oder ändern, muss er das persönlich erklären. Diese Erklärung muss notariell beurkundet und dem anderen Partner zugestellt werden – andernfalls ist die Änderung oder der Widerruf unwirksam.
Wie das Ehegattentestament angefochten werden kann, wird im nächsten Kapitel erklärt.
8. Anfechtung eines Ehegattentestaments
Entstehen nach dem Erbfall Unstimmigkeiten in Bezug auf das Ehegattentestament, ist eine Anfechtung möglich. Auch hier macht es einen Unterschied, ob es sich um zwei Einzeltestamente oder ein wechselbezügliches Ehegattentestament handelt.
Bei Ehegattentestamenten, die aus zwei einzelnen Testamenten bestehen, können einzelne Verfügungen nach dem Erbfall angefochten werden. Ist die Anfechtung erfolgreich, gelten nur diese als ungültig und die übrigen gelten weiterhin – bei dieser Art des Ehegattentestaments ist die Gültigkeit der Verfügungen beider Partner schließlich nicht voneinander abhängig.
Bei wechselbezüglichen Ehegattentestamenten wird mit der Anfechtung der Verfügung eines Partners gleichzeitig auch die des anderen angefochten – die Verfügungen sind schließlich voneinander abhängig. Ist die Anfechtung dann erfolgreich, gelten beide Verfügungen als unwirksam.
Besteht nach dem Erbfall Grund zur Annahme, dass das Ehegattentestament fehlerhaft ist, kann es von bestimmten Personen angefochten werden. Im Wesentlichen sind das die Personen, denen eine erfolgreiche Anfechtung zugutekommt – also alle gesetzlichen Erben. Zu beachten ist aber, dass durch eine Wiederheirat der neue Partner auch erbberechtigt ist und damit auch anfechtungsberechtigt.
Ausführlichere Informationen, wichtige Fristen sowie 15 Gründe, warum man ein Testament anfechten kann, finden Sie in unserem Beitrag „Testament anfechten“.
9. Vor- & Nachteile des Ehegattentestaments
Ein Ehegattentestament kann sowohl Vor- als auch Nachteile haben – bevor Ehepaare oder Lebenspartner also die Entscheidung darüber treffen, könnte es wichtig sein, wenn alle Konsequenzen bekannt sind.
Vorteile
✓ Ehepaare und Lebenspartner können ihren Nachlass umfassend gemeinsam regeln – der Inhalt kann aufeinander abgestimmt werden, sodass der gemeinsame Wille deutlich wird.
✓ Gleichzeitige Regelung der Erbaufteilung beider Erbfälle im Berliner Testament: Im ersten Erbfall geht der Nachlass zunächst auf den länger lebenden Partner über, bevor andere gesetzliche Erben nach dem zweiten Erbfall bedacht werden.
✓ Absicherung des Partners im Erbfall, sodass dieser keine Einschränkungen des wirtschaftlichen Lebensstandards hinnehmen muss.
✓ Erbstreitigkeiten im ersten Erbfall zwischen dem länger lebenden Partner und anderen gesetzlichen Erben werden vermieden, da durch ein Ehegattentestament keine Erbengemeinschaft entsteht – Ehepaare und Lebenspartner setzen sich häufig als Alleinerben ein. So kann z. B. das Familienheim vor einer Zerschlagung geschützt werden.
✓ Es besteht keine Notarpflicht – das Ehegattentestament kann sowohl privatschriftlich verfasst als auch notariell aufgesetzt oder mithilfe eines Anwalts verfasst werden.
✓ Änderung gemeinsamer (wechselbezüglicher) Verfügungen ist nicht einseitig möglich – Verfügungen, die nur einen der Partner betreffen, können von diesem selbst nur widerrufen werden.
Nachteile
X Es sind Pflichtteilsforderungen gegen den länger lebenden Partner möglich – mit einer Pflichtteilsstrafklausel kann das aber verhindert werden.
X Bei wechselbezüglichen Testamenten ist die Gültigkeit der Verfügungen voneinander abhängig – wird eine der Verfügungen nichtig, gilt das auch für die des Partners.
Sowohl vorteilhaft als auch nachteilig
O Hohe Bindungswirkung für den Ehepartner: Nach dem ersten Erbfall kann dieser die Verfügung nicht ohne Weiteres auflösen – eine Änderung oder ein Widerruf ist ohne Freistellungsklausel nicht möglich und eine Anfechtung muss einen triftigen Grund haben.
10. Tipp: kostenlose Ersteinschätzung im Erbrecht
Mit einem Ehegattentestament können Ehepaare und eingetragene Lebenspartner ihren Nachlass gemeinsam regeln und sich gegebenenfalls gegenseitig absichern. So kann der Lebensstandard uneingeschränkt fortgeführt werden und der länger lebende Partner wird nicht mit Erbstreitigkeiten konfrontiert. Damit das Ehegattentestament von Vorteil ist und den individuellen Anforderungen entspricht, können Sie sich von einem Anwalt beraten lassen.
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