1. Ist eine Kündigung während Krankheit zulässig?
Die Kündigung während Krankschreibung ist grundsätzlich zulässig. Jeder Arbeitnehmer kann während der Krankschreibung eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung erhalten. Fällt der Arbeitnehmer aber in den Schutzbereich des besonderen Kündigungsschutzes, kann der Arbeitgeber die Kündigung während Krankschreibung nur aus ganz bestimmten Gründen aussprechen.
Das Kündigungsschutzgesetz ist anwendbar, wenn:
- Das Arbeitsverhältnis seit mindestens sechs Monaten besteht (Ablauf der gesetzlichen Probezeit).
- Der Arbeitgeber mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt (kein Kleinbetrieb vorliegt).
In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer auch die Chance auf eine Abfindung nach Kündigung.
2. In diesen Fällen greift der Kündigungsschutz nicht
Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, dann kann eine Kündigung während Krankheit nur aus drei Gründen erfolgen:
1. Personenbedingte Kündigung: Der Kündigungsgrund liegt in Eigenschaften oder Merkmalen des Arbeitnehmers, die zu einer Leistungsminderung führen.
2. Verhaltensbedingte Kündigung: Der Kündigungsgrund liegt im steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers. Dazu zählen zum Beispiel Alkoholkonsum, Diebstahl oder sexuelle Belästigung.
Für die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung müssen 4 Voraussetzungen gemeinsam erfüllt sein:
- Es liegt eine Pflichtverletzung (z. B. durch Arbeitsverweigerung) vor.
- Negative Zukunftsprognose: Es ist zu erwarten, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändern wird.
- Verhältnismäßigkeit: Es kamen keine milderen Mittel (z. B. Abmahnung oder Versetzung) infrage als eine Kündigung.
- Interessenabwägung: Das Interesse des Arbeitgebers an einer Kündigung des Arbeitnehmers überwiegt gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu behalten.
3. Betriebsbedingte Kündigung: Der Kündigungsgrund liegt im Betrieb selbst. Der Arbeitgeber muss wegen dringender betrieblicher Erfordernisse Personal entlassen – z. B. bei Insolvenz oder der Schließung einer Abteilung.
Die Kündigung wegen Krankheit muss ebenfalls sozial gerechtfertigt sein. Dies kann aus folgenden Gründen gegeben sein:
- Eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Mitarbeiters an anderer Stelle ist nicht möglich.
- Der Arbeitgeber hat die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ausreichend berücksichtigt.
Bei Kleinbetrieben greift der Kündigungsschutz nicht
Arbeitnehmer sind nicht durch das Kündigungsschutzgesetz vor einer Kündigung während Krankschreibung geschützt, wenn sie in einem Kleinbetrieb mit weniger als zehn Vollzeitbeschäftigten angestellt sind.
Der Arbeitgeber ist dann zudem nicht verpflichtet, einen Grund für die Kündigung zu nennen. Auch die soziale Rechtfertigung entfällt. Möchte der Arbeitnehmer sich gegen die Kündigung wehren, liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Unwirksamkeit der Kündigung bei ihm.
Gründe für die Unwirksamkeit einer Kündigung in Kleinbetrieben:
- Der Arbeitnehmer fällt unter das Sonderkündigungsschutzgesetz (z. B. Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsratsmitglieder). Seine Kündigung kann nur mit vorheriger behördlicher Zustimmung erfolgen.
- Die Kündigung ist sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB.
- Die Kündigung ist diskriminierend gemäß Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
- Die Kündigung ist treuwidrig (§ 242 BGB): Das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme, das auch für Kleinbetriebe gilt, findet keine Berücksichtigung.
Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein seit 20 Jahren im Betrieb Beschäftigter betriebsbedingt gekündigt wird, ein neuer Angestellter auf gleicher Position aber ohne ersichtlichen Grund bleiben darf.
3. Die krankheitsbedingte Kündigung
Eine krankheitsbedingte Kündigung liegt vor, wenn die Krankheit selbst der Kündigungsgrund ist. Nach dem Kündigungsschutzgesetz stellt sie eine personenbedingte Kündigung dar.
Gründe für eine krankheitsbedingte Kündigung während Krankschreibung (oder auch Anlasskündigung):
- Wiederholte Kurzerkrankungen
- Langzeiterkrankungen
- Krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit
- Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit.
Die krankheitsbedingte Kündigung muss ebenfalls sozial gerechtfertigt sein, um wirksam zu sein. Dafür müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein:
Negative Prognose
Eine negative Prognose besteht, wenn längerfristig mit weiteren Krankheiten des Arbeitnehmers zu rechnen ist. Bei Kurzerkrankungen muss zu befürchten sein, dass Wiedererkrankungen in erheblichem Umfang auftreten. Bei Langzeiterkrankungen darf keine Aussicht auf Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit bestehen.
Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen
Eine krankheitsbedingte Kündigung während Krankschreibung kann nur erfolgen, wenn die bisherigen und prognostizierten Auswirkungen die wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigen.
Dies ist z. B. bei fehlender Planungssicherheit, Störungen des Betriebsablaufs oder einer wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers durch Krankheitsvertretungen und außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungskosten der Fall.
Interessenabwägung
Es bedarf einer sorgfältigen Prüfung, ob dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Diese Interessenabwägung soll verhindern, dass dem Arbeitnehmer leichtfertig die Kündigung während Krankheit ausgesprochen wird.
Bei der Interessenabwägung finden beispielsweise folgende Aspekte Berücksichtigung:
- Die ungestörte Dauer des Arbeitsverhältnisses
- Betriebliche Krankheitsursachen (z. B. Arbeitsunfall)
- Alter und Familienstand des Arbeitnehmers
War der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank, dann muss gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX vor der Kündigung während Krankschreibung ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) erfolgen. Dabei werden unter Mitwirkung der Arbeitnehmervertretungen Möglichkeiten für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers geprüft.
Das Fehlen eines BEM führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wird aber dem Arbeitgeber vom Gericht bei einer etwaigen Kündigungsschutzklage negativ angerechnet.
4. Kündigung während Krankheit: Krankengeld
Der Arbeitgeber ist nur bei einem gültigen Arbeitsverhältnis verpflichtet, Entgeltfortzahlung während der Krankheit zu leisten. Bei einer Erkrankung zahlt er deswegen den Lohn für sechs Wochen weiter. Anschließend erhält der Arbeitnehmer das niedrigere Krankengeld von der Krankenkasse.
Endet das Arbeitsverhältnis, bevor die sechs Wochen verstrichen sind, so muss der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung auch nur bis zum Beschäftigungsende zahlen.
Lohnfortzahlung bei Anlasskündigung
Anders ist es bei einer sogenannten Anlasskündigung. Erfolgt die Kündigung während Krankschreibung gerade wegen der Erkrankung, muss der Arbeitgeber auch über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus für volle sechs Wochen den Lohn fortzahlen.
Eine Anlasskündigung wird vermutet, wenn der Arbeitgeber unmittelbar nach der Krankmeldung kündigt. Widerspricht der Arbeitgeber dieser Vermutung, steht er in der Beweispflicht und muss nachweisen, dass es andere Kündigungsgründe während der Krankschreibung gibt.
Kündigung während Krankheit: Lohnfortzahlung in der Probezeit
Für eine Kündigung während Krankheit in der Probezeit gelten grundsätzlich dieselben Regeln. Der Arbeitgeber muss den Lohn nur bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses fortzahlen. Kündigt der Arbeitgeber aber aufgrund der Krankheit, dann muss er die vollen sechs Wochen Entgeltfortzahlung leisten, weil eine Anlasskündigung vorliegt.
Allerdings entsteht gemäß § 3 Absatz 3 EntgFG in der Probezeit die Pflicht zur Lohnfortzahlung erst, wenn der Arbeitnehmer länger als 4 Wochen ununterbrochen im Unternehmen gearbeitet hat.
Lohnfortzahlung bei Kündigung während der Krankheit durch den Arbeitnehmer
Kündigt der Arbeitnehmer während seiner Krankschreibung, hat er nach § 8 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) weiterhin Anspruch auf Lohnfortzahlung. Das gilt sowohl bei einer fristlosen als auch bei einer fristgerechten Kündigung während der Krankschreibung. Bei einer fristlosen Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen.
Voraussetzung für eine Lohnzahlung ist, dass der Arbeitnehmer die Bedingungen für den Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 3 EntgFG auch erfüllt.
Dann entsteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung:
- Der Arbeitnehmer kann wegen einer Krankheit seine Arbeitsleistung nicht erbringen.
- Es liegt eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit vor.
- Der Arbeitnehmer ist länger als vier Wochen ununterbrochen im Betrieb beschäftigt.