1. Ist eine Kündigung während Krankheit zulässig?
Viele glauben, dass eine Kündigung während einer Krankschreibung nicht möglich ist – doch das stimmt nicht. Arbeitgeber dürfen auch während einer Krankheit kündigen, sowohl ordentlich als auch außerordentlich.
Allerdings gilt: Wer unter das Kündigungsschutzgesetz fällt, genießt auch im Krankheitsfall besonderen Schutz. In solchen Fällen sind strenge Voraussetzungen an eine rechtmäßige Kündigung geknüpft.
Wann gilt das Kündigungsschutzgesetz?
Das Kündigungsschutzgesetz gilt, wenn:
- das Arbeitsverhältnis mehr als 6 Monate besteht und
- im Unternehmen mehr als 10 Vollzeitmitarbeiter beschäftigt sind (kein Kleinbetrieb).
Dies ergibt sich aus §§ 1 und 23 KSchG.
Wie wird die Mitarbeiterzahl nach dem Kündigungsschutzgesetz berechnet?
Für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist entscheidend, wie viele Mitarbeiter im Betrieb beschäftigt sind. Dabei gelten besondere Zählregeln:
Auszubildende werden nicht mitgezählt.
Teilzeitkräfte zählen anteilig, je nach regelmäßiger Wochenarbeitszeit:
Wöchentliche Arbeitszeit |
Zählfaktor |
Bis 20 Stunden |
0,5 Mitarbeiter |
Bis 30 Stunden |
0,75 Mitarbeiter |
Über 30 Stunden |
1,0 Mitarbeiter |
Für Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 2004 eingestellt wurden (sogenannte „Alt-Arbeitnehmer“), gilt eine Sonderregelung: Für diese besteht Kündigungsschutz bereits, wenn im Betrieb mehr als 5 Alt-Arbeitnehmer beschäftigt sind.
Welche Kündigungsgründe sind während der Krankheit zulässig?
Ist das KSchG anwendbar, sind nur drei gesetzlich zulässige Kündigungsgründe möglich:
Kündigungsgrund 1: Personenbedingte Kündigung (z. B. krankheitsbedingt)
Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft nicht (mehr) in der Lage ist, seine vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen – und zwar aus Gründen, die in seiner Person liegen und die er selbst nicht beeinflussen kann.
Typische Fälle dieser Kündigungsart:
- Krankheitsbedingte Kündigung:
Sie ist zulässig, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft über längere Zeit arbeitsunfähig sein wird oder regelmäßig krankheitsbedingt ausfällt – und dadurch der betriebliche Ablauf erheblich beeinträchtigt wird.
- Kündigung wegen anhaltender erheblicher Leistungsschwäche:
Diese liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum deutlich hinter der Arbeitsleistung vergleichbarer Kollegen zurückbleibt – und keine Aussicht auf eine Verbesserung besteht.
Kündigungsgrund 2: Verhaltensbedingte Kündigung
Eine verhaltensbedingte Kündigung wird ausgesprochen, wenn ein Arbeitnehmer schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt.
Typische Beispiele:
- Diebstahl
- Arbeitsverweigerung
- Wiederholtes unentschuldigtes Fehlen
- Alkoholkonsum am Arbeitsplatz
Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung:
-
Nachweisbare Pflichtverletzung
-
Negative Verhaltensprognose – d. h. es ist zu erwarten, dass sich das Verhalten auch künftig nicht bessert
-
Keine milderen Mittel verfügbar – z. B. Abmahnung oder Versetzung
-
Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers
Kündigungsgrund 3: Betriebsbedingte Kündigung
Eine betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn innerbetriebliche Veränderungen dazu führen, dass der Bedarf an bestimmten Arbeitsleistungen dauerhaft entfällt.
Mögliche Ursachen:
- Umstrukturierungen
- Stellenabbau
- Outsourcing
- Produktionsstopp
Voraussetzungen:
- Dringende Erforderlichkeit der Kündigung – es darf keine zumutbare Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen geben.
- Sozialauswahl durch den Arbeitgeber – dabei sind insbesondere folgende soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
-
- Lebensalter
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Unterhaltspflichten
- Schwerbehinderung des Arbeitnehmers
Was tun nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber?
Wurde einem Arbeitnehmer gekündigt, sollte er schnell handeln – insbesondere, wenn das Kündigungsschutzgesetz greift. Das ist der Fall, wenn:
- im Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt sind
- der Arbeitnehmer dort länger als 6 Monate angestellt ist
In diesen Fällen gelten strenge Anforderungen an die Wirksamkeit einer Kündigung.
Wichtig: Die Beweislast liegt beim Arbeitgeber – er muss nachweisen, dass die Kündigung rechtlich zulässig ist. Gelingt ihm das nicht, ist die Kündigung unwirksam.
Folgen einer unwirksamen Kündigung:
- Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung
oder
- er kann eine Abfindung fordern.
Achtung: Innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung muss eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung automatisch als wirksam. Eine nachträgliche Klage ist dann in der Regel aussichtslos.
2. Die krankheitsbedingte Kündigung
Die krankheitsbedingte Kündigung ist eine besondere Form der personenbedingten Kündigung. Sie kann nur unter engen Voraussetzungen ausgesprochen werden und ist nur dann wirksam, wenn folgende 3 Voraussetzungen erfüllt sind:
Negative Gesundheitsprognose
Voraussetzung ist zunächst eine negative Gesundheitsprognose: Der Arbeitgeber muss nachweisen können, dass auch in Zukunft mit erheblichen krankheitsbedingten Ausfällen oder einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist.
Das kann sowohl bei häufigen Kurzerkrankungen als auch bei lang andauernden Erkrankungen der Fall sein – entscheidend ist, dass keine baldige Rückkehr zur vollen Arbeitsfähigkeit zu erwarten ist.
Typische Gründe für eine krankheitsbedingte Kündigung sind:
- Wiederholte Kurzerkrankungen
- Langzeiterkrankung
- Krankheitsbedingte erhebliche Leistungsminderung
- Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit
Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
Darüber hinaus muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliegen – etwa durch häufige Ausfallzeiten, gestörte Betriebsabläufe, hohe Vertretungskosten oder mangelnde Planungssicherheit.
Interessenabwägung
Im Rahmen einer Interessenabwägung ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Erkrankung des Arbeitnehmers weiterhin zumutbar ist.
Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Alter des Arbeitnehmers
- Bisheriger Krankheitsverlauf
- Soziale Gesichtspunkte (z. B. Unterhaltspflichten oder Schwerbehinderung)
- Betriebliche Auswirkungen der Krankheit
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Hat ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mehr als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt krankheitsbedingt gefehlt, ist der Arbeitgeber laut § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten.
Ziel des BEM:
- Möglichkeiten finden, um die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden
- Einer erneuten Erkrankung vorbeugen
- Im besten Fall: den Arbeitsplatz langfristig erhalten
Wird das BEM nicht oder nur unzureichend durchgeführt, kann das für den Arbeitgeber nachteilige Folgen haben – insbesondere im Fall einer krankheitsbedingten Kündigung.
Wichtig zu wissen: Eine fehlende BEM-Durchführung macht die Kündigung nicht automatisch unwirksam. Aber: Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess beweisen, dass die Kündigung auch mit ordnungsgemäßem BEM unvermeidbar gewesen wäre.
Gelingt dieser Nachweis nicht, kann das Gericht die Kündigung für unwirksam erklären.