1. Wann kann ich einen Kredit widerrufen?
Sie können einen Kreditvertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen, nachdem Sie ihn abgeschlossen haben. Dieses gesetzliche Widerrufsrecht gilt aber nur für Verbraucherkreditverträge.
Ein Verbraucherkredit liegt vor, wenn
- das Darlehen privaten Zwecken dient.
- Sie den Darlehensvertrag mit einem Unternehmen geschlossen haben.
Es ist egal, ob das Darlehen verzinst ist oder es sich um eine Null-Prozent-Finanzierung handelt. Auch Online-Kredite lassen sich widerrufen. Die Widerrufsfrist beginnt zu laufen, wenn Sie von der Bank eine Vertragskopie mit allen relevanten Daten inklusive der Widerrufsbelehrung erhalten haben.
Wann ist ein Widerruf des Kredits nicht möglich?
Für Darlehen, die nicht zu den Verbraucherkrediten gehören, besteht kein Widerrufsrecht. Dazu gehören:
- Kleinkredite mit einem Nettodarlehensbetrag unter 200 Euro
- Darlehen, die Sie gegen ein Pfand erhalten haben
- Kurzfristige Verträge mit einer Rückzahlungspflicht von 3 Monaten
- Darlehensverträge, die Teil eines Arbeitsvertrags und niedriger verzinst sind
- Förderkredite zu günstigeren Bedingungen als marktüblich
2. Fehlerhafte Widerrufsbelehrung: Welche Rechte habe ich?
Die 14-tägige Widerrufsfrist von Verbraucherkrediten beginnt erst, wenn die Bank Sie korrekt über Ihr Widerrufsrecht belehrt hat.
Ist diese Widerrufsbelehrung fehlerhaft, verlängert sich die gesetzliche Widerrufsfrist des Darlehensvertrags: Sie können auch noch Jahre nach Abschluss den Kredit widerrufen. Dieses ewige Widerrufsrecht nennt sich Widerrufsjoker.
Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung liegt vor, wenn
- Pflichtangaben fehlen.
- der Kreditnehmer nicht über den Start der Widerrufsfrist aufgeklärt wird.
- die zuständige Aufsichtsbehörde nicht konkret benannt ist.
- die Rechtsfolgen des Kredit-Widerrufs nicht oder falsch beschrieben sind.
Was bedeutet das für mich als Verbraucher?
Können Sie nachweisen, dass die Bank Sie nicht korrekt über die Widerrufsfristen oder Rechtsfolgen belehrt hat, können Sie den Kredit widerrufen – auch wenn die Frist bereits abgelaufen ist.
Für Sie als Verbraucher bietet der Widerruf zahlreiche finanzielle Vorteile – egal ob Sie sich für eine Umschuldung oder vorzeitige Auflösung des Darlehens entscheiden:
- Zinsersparnis: Nach dem Kredit-Widerruf können Sie ein neues Darlehen zu günstigeren Konditionen aufnehmen.
- Keine Vorfälligkeitsentschädigung: Mit dem Widerruf entfällt die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Eine bereits gezahlte Entschädigung muss die Bank erstatten.
- Keine Restschuldversicherung: Haben Sie neben dem Darlehensvertrag eine Restschuldversicherung abgeschlossen, ist diese mit dem Widerruf beendet.
- Nutzungsersatz: Da die Bank Ihre Zahlungen für sich genutzt hat, haben Sie Anspruch auf Nutzungsersatz. Üblich sind 5 % über dem Basiszins.
Was bedeutet das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofes?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem aktuellen Urteil darüber entschieden, ob eine bestimmte Klausel in den Widerrufsbelehrungen rechtsgültig ist.
Streitig war der sogenannte Kaskadenverweis. Die Klausel verweist auf Pflichtangaben im Kreditvertrag, ohne jedoch zu erläutern, um welche es sich handelt.
Gegenstand des Verfahrens war ein von der Bank abgelehnter Kredit-Widerruf: Ein Kreditnehmer hatte erst im Jahr 2016 seinen 2012 abgeschlossenen Autokreditvertrag widerrufen, da aus der Belehrung nicht hervorging, wann die Frist für den Widerruf beginnt.
In seinem Urteil (Az. C-66/19) erklärte der EuGH den sogenannten Kaskadenverweis für unrechtmäßig, denn der bisherige Verweis in den Vertragsbedingungen ist nicht ausreichend. Verbraucher wissen so nicht, welche Verpflichtungen genau sie zu erfüllen haben.
Kann ich jeden Kredit mit fehlerhafter Belehrung widerrufen?
Da sich der Verweis in nahezu allen Verbraucherkrediten seit Juni 2010 befindet, können Kreditnehmer dank des Urteils einen u. a. einen Leasingvertrag widerrufen, Darlehensverträge für Fernsehen und Laptops widerrufen und einen Widerruf für einen Autokredit aufsetzen.
Bei Baufinanzierungen ist es komplizierter: Hier gilt das ewige Widerrufsrecht nur für Kreditverträge, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 21.03.2016 abgeschlossen wurden – danach verwendeten die Banken eine andere Formulierung in der Widerrufsbelehrung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte die beanstandete Klausel für rechtens – es ist daher möglich, dass die Bank den Widerruf eines Immobiliendarlehens ablehnt und es auf eine Klage ankommen lässt. Noch ist nicht absehbar, ob deutsche Gerichte dem Urteil des EuGH oder dem des BGH folgen.
Es kann hilfreich sein, wenn Kreditnehmer von Baufinanzierungen die Möglichkeit eines Widerrufs mit einem Anwalt besprechen.
Sind Sie unsicher, ob das ewige Widerrufsrecht in Ihrem Kreditvertrag greift? Lassen Sie sich in einer kostenlosen Ersteinschätzung von einem advocado Partner-Anwalt beraten, ob Sie Ihren Kredit widerrufen können.
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