Der Sonderstatus des Ehe- oder eingetragenen Lebenspartners wird im folgenden Kapitel näher erläutert.
Erbreihenfolge bei Zugewinngemeinschaft & Gütertrennung
Der Ehepartner gehört keiner der oben besprochenen Ordnungen an – stattdessen nimmt er in der Erbreihenfolge eine Sonderstellung ein. Ob und wieviel der Ehepartner erbt, kommt auf den Güterstand an, den die Ehepartner zu Lebzeiten miteinander vereinbart haben.
Zugewinngemeinschaft
Die meisten Ehepartner in Deutschland leben in einer Zugewinngemeinschaft. Das liegt daran, dass die Zugewinngemeinschaft automatisch besteht, wenn im Ehevertrag nichts anderes bestimmt wird.
In einer Zugewinngemeinschaft gilt: Verstirbt ein Ehepartner, erhält der länger lebende Partner 50 % des Nachlasses – vorausgesetzt das Ehepaar hatte keine Kinder. Die restlichen 50 % gehen an die Erben zweiter Ordnung (Eltern, Geschwister, Großeltern). Hat das Ehepaar Kinder, bekommt der länger lebende Partner 25 % des Nachlasses und die übrigen 75 % werden an die Erben erster Ordnung (Kinder, Enkel) weitergegeben.
Die gesetzliche Erbreihenfolge in der Zugewinngemeinschaft hat zwei Besonderheiten:
1. Dem Ehepartner wird zu der gesetzlichen Erbquote ein weiteres Viertel vom Nachlass zugesprochen. Dies soll laut § 1371 BGB dem Ausgleich des möglichen Zugewinnes während der Ehe dienen. Dabei ist es unerheblich, ob ein Zugewinn wirklich stattgefunden hat oder nicht.
2. Der Ehepartner kann das Erbe ausschlagen, wenn das oben erwähnte zusätzliche Nachlassviertel nicht ausreicht, um den von ihm während der Ehe erwirtschafteten Gewinn auszugleichen. Anschließend kann er gemäß § 1971 BGB einen Zugewinnausgleich von den übrigen Erben verlangen.
Ausführlichere Informationen sowie praktische Berechnungsbeispiele finden Sie in unserem Beitrag zum Thema Zugewinnausgleich.
Gütertrennung
Neben der Zugewinngemeinschaft können sich Ehepaare für eine notariell beurkundete Gütertrennung entscheiden. Bei dieser erhält der länger lebende Ehepartner immer mindestens genauso viel wie die Kinder des Erblassers.
Hat der Erblasser ein Kind, erhalten Ehepartner und Kind jeweils 50 % des Nachlasses. Bei zwei Kindern bekommt jede Partei 1/3 des Erbes und bei mehr als zwei Kindern steht dem Ehepartner immer ¼ des Erbes zu.
Was geschieht, wenn das Ehepaar keine Kinder hat, erfahren Sie im späteren Unterpunkt „Sonderfälle: Erbreihenfolge bei kinderloser Ehe“.
5. Gewillkürte Erbreihenfolge – Vererben mit Testament/Erbvertrag
Möchte der Erblasser noch zu Lebzeiten selbst bestimmen, welcher Angehörige was erben soll, kann er ein Testament oder Erbvertrag aufsetzen.
Gewillkürte Erbreihenfolge mit Testament
Mit einem Testament kann der Erblasser seinen letzten Willen noch zu Lebzeiten festlegen und damit die Erbreihenfolge beeinflussen. Will der Erblasser ein Testament verfassen, kann er sich im Vorfeld einige Gedanken machen und entscheiden, welche Klauseln er in seinen letzten Willen einbringen will. So kann z. B. geregelt werden, wer erben und wer enterbt werden soll und wie hoch die Erbteile einzelner Verwandter ausfallen.
Gewillkürte Erbreihenfolge mit Erbvertrag
Eine weitere Möglichkeit, wie der Erblasser die Erbreihenfolge bestimmen kann, ist der Erbvertrag. Dieser notariell beurkundete Vertrag hält genau wie das Testament seinen letzten Willen fest. Der Unterschied: Der gewillkürte Erbvertrag ist meist eine gegenseitige Verpflichtung der Vertragsparteien. So garantiert der Erblasser dem Erben in vielen Fällen einen Erbteil, während dieser dafür beispielsweise eine Pflegeleistung gegenüber dem Erblasser erbringen muss.
Ausführliche Informationen zum Thema finden Sie in unserem Beitrag zum Erbvertrag.
Achtung: Pflichtteil bedenken
Wurde ein naher Angehöriger im Testament oder Erbvertrag nicht bedacht, hat er unter Umstände einen Pflichtteilsanspruch – dafür müsste er bei Nichtvorliegen eines Testaments bzw. Erbvertrags durch die gesetzliche Erbreihenfolge zum Erben geworden sein. Hat der Angehörige eine solche Position inne und ist zudem pflichtteilsberechtigt (meist sind das Kinder, Eltern oder Enkel des Erblassers), kann er seinen Pflichtteil gegenüber den im Testament/Erbvertrag festgelegten Erben geltend machen.
6. Sonderfälle bei der Erbreihenfolge
Kinderlose Ehe
Hat ein Ehepaar keine Kinder und einer der Partner verstirbt, erbt der länger lebende Ehepartner die Hälfte des Nachlasses. Der Rest geht an die Eltern des Verstorbenen über. Zum Alleinerben kann der länger lebende Ehepartner nur werden, wenn es keine Erben 1., 2. oder 3. Ordnung gibt.
Scheidung
Haben sich Ehepaare rechtskräftig voneinander scheiden lassen, gilt die gesetzliche Erbreihenfolge für sie nicht mehr. Das bedeutet, dass der länger lebende Ehepartner nicht vom Erbe des geschiedenen Partners profitieren kann. Von dieser Regelung umfasst sind auch Scheidungen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits form- und fristgerecht eingereicht, aber noch nicht vollzogen worden sind.
Berliner Testament
Ein Sonderfall der gewillkürten Erbreihenfolge ist das Berliner Testament. Darin können Ehepartner einander gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Wenn einer von ihnen stirbt, geht sein gesamter Nachlass auf den länger lebenden Partner über – er wird zum Vorerben und ist finanziell abgesichert. Gemeinsame Kinder und andere Verwandte sind zunächst von der Erbreihenfolge ausgeschlossen. Erst wenn auch der zweite Partner stirbt, erben Kinder und Verwandte – sie werden zu Schluss- bzw. Nacherben.
Weitere Informationen finden Sie in unserem Beitrag „Berliner Testament“.
7. Erbreihenfolge nach Erbausschlagung
Erben können laut § 1944 BGB ihr Erbe bis zu sechs Wochen nach dem Erbfall ausschlagen. Geschieht dies, wird der Erbfall nach § 1953 BGB so behandelt, als existiere die ausschlagende Person nicht – das Erbe geht an die nächste Person in der Erbreihenfolge über. Wenn beispielsweise die Kinder ein Erbe ausschlagen, geht dieses an die Eltern des Erblassers über.
Es kann viele Gründe geben, warum ein Verwandter sein Erbe nicht antreten, sondern ausschlagen möchte. Dies und weitere Informationen zum Thema finden Sie in unserem Beitrag „Erbteil ausschlagen“.
8. Tipp: kostenlose Ersteinschätzung im Erbrecht
Ein naher Verwandter ist verstorben und Sie möchten wissen, ob Sie als Erbe infrage kommen? Oder möchten Sie ihren Nachlass schon zu Lebzeiten bestmöglich regeln und die Erbreihenfolge eigenständig festlegen? Ein Anwalt für Erbrecht hilft Ihnen gern bei Ihren Fragen und zeigt Ihnen Ihre individuellen Handlungsmöglichkeiten auf.
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