4. Auswirkungen eines Pflichtteilsverzichtsvertrages
Bevor ein Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen wird, kann darauf geachtet werden, dass ein Verzicht Auswirkungen auf andere Ansprüche haben kann.
Für die Nachkommen des Verzichtenden
Unterzeichnet ein Angehöriger einen Pflichtteilsverzichtsvertrag, gilt dieser auch automatisch für die Kinder des Verzichtenden. Damit können auch die Kinder weder erbrechtliche Ansprüche noch Pflichtteilsansprüche geltend machen. Da ein Pflichtteilsverzichtsvertrag allerdings individuell zu gestalten ist, kann im Vertrag festgehalten werden, dass die Kinder von einem Verzicht der Eltern ausgeschlossen werden.
Für die gesetzliche Erbfolge
Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag hat keine Auswirkungen auf die gesetzliche Erbfolge – der Verzichtende bleibt Erbe und verliert lediglich seinen Pflichtteilsanspruch. Wurde der Angehörige im Testament nicht enterbt, kann er vom Erblasser beliebig als Erbe eingesetzt werden und bekommt deshalb entweder den gesetzlichen Erbteil oder einen vom Erblasser bestimmten Teil zugesprochen.
5. Erstellung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags
Inhalt eines Pflichtteilsverzichtsvertrags
Der Inhalt eines Pflichtteilsverzichtsvertrags ist nicht gesetzlich vorbestimmt und kann deshalb individuell auf den vorliegenden Fall angepasst werden. So können Erblasser beispielsweise gemeinsam mit den Verzichtenden entscheiden, ob eine Abfindung vereinbart werden soll oder ob ein beschränkter oder unbeschränkter Pflichtteilsverzichtsvertrag aufgesetzt wird.
Form & Muster
Die Erstellung eines Pflichtteilsverzichtsvertrages bedarf der schriftlichen Form. Der Inhalt kann dabei wie bereits genannt individuell auf den Fall angepasst werden – deshalb gibt es kein allgemeingültiges Muster für einen Pflichtteilsverzichtsvertrag. Trotzdem können Sie sich bei der Erstellung an unseren Mustern orientieren. Bei Fragen zur Gestaltung und zum Inhalt kann Ihnen ein advocado Partner-Anwalt für Erbrecht behilflich sein.
Pflichtteilsverzicht ohne Abfindung
Sind sich Erblasser und Angehöriger über den Pflichtteilsverzicht einig, muss oft keine Abfindungszahlung im Pflichtteilsverzichtsvertrag vereinbart werden. Ein Beispiel für einen Pflichtteilsverzichtsvertrag ohne Abfindung könnte folgendermaßen lauten:
„Hiermit verzichtet Frau Mustermann gegenüber ihrem Vater Herrn Mustermann gemäß § 2346 ff. BGB auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht. Der Verzicht gilt auch für alle Nachkommen von Frau Mustermann. Eine Abfindung wird nicht vereinbart und der Verzicht erhält sofort mit dem Eintreten des Erbfalls seine Fälligkeit. Alle durch die Errichtung des Pflichtteilsverzichtsvertrags entstehenden Kosten werden von Herrn Mustermann getragen.“
Pflichtteilsverzicht mit Abfindung
In manchen Fällen versucht der Erblasser, einen Pflichtteilsverzicht durch eine Abfindungszahlung attraktiver für den Erben zu gestalten. Dieser verzichtet dann zwar auf seinen Pflichtteil – bekommt aber eine Geldzahlung als Gegenleistung.
Beispiel:
„Hiermit verzichtet Frau Mustermann gegenüber ihrem Vater Herrn Mustermann gemäß § 2346 ff. BGB auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht. Der Verzicht gilt auch für alle Nachkommen von Frau Mustermann. Fälligkeit erhält der Verzicht erst, wenn Herr Mustermann eine Abfindungszahlung in Höhe von 10.000 € an seine Tochter Frau Mustermann gezahlt hat. Alle durch die Errichtung des Pflichtteilsverzichtsvertrags entstehenden Kosten werden von Herrn Mustermann getragen.“
Notarielle Beurkundung nötig?
Damit ein Pflichtteilsverzichtsvertrag Rechtsgültigkeit erlangt, muss er unbedingt von einem Notar beurkundet werden. Bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag handelt es sich um eine höchstpersönliche Angelegenheit – deshalb muss der Erblasser bei der Unterzeichnung persönlich anwesend sein, während der Verzichtende sich vertreten lassen darf.
Enterbung nach Pflichtteilsverzicht
Da der verzichtende Verwandte trotz Pflichtteilsverzichtsvertrags seinen Erbanspruch nicht verliert, muss der Erblasser ihn für eine vollkommene Enterbung zusätzlich per Testament enterben. Andernfalls hat der Verzichtende neben der Abfindung auch noch einen Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil – und kann somit doppelt abkassieren.
6. Pflichtteilsverzichtsvertrag abgelehnt: Was nun?
Es kann vorkommen dass der Erbe den Pflichtteilsverzichtsvertrag nicht freiwillig unterschreiben, sondern seine gesetzlichen Pflichtteilsansprüche im Erbfall geltend machen möchte. Was Sie aller Erblasser dann tun können, erfahren Sie im Folgenden.
Allgemeines zur Rechtslage & Sittenwidrigkeit
Grundsätzlich kann ein Pflichtteilsverzichtsvertrag nur mit dem Einverständnis von Erben und Erblasser vereinbart werden. Durch Pflichtteilsstrafklauseln kann aber beispielsweise der Zugriff auf Pflichtteile unattraktiv gemacht werden – diese regeln meist, dass der Erbe vollkommen enterbt werden soll, wenn er vorzeitig auf seinen Pflichtteil zugreift.
In manchen Fällen kann ein Pflichtteilsverzichtsvertrag sittenwidrig sein – z. B. wenn der Erblasser den Erben belogen hat, damit er unterschreibt, oder der Verzichtende jung und unerfahren ist, etwa eine emotionale oder finanzielle Abhängigkeit vom Erblasser vorliegt und der Erblasser diese zu seinen Vorteilen ausgenutzt hat.
Wollen Sie den Pflichtteil umgehen, aber der Erbe willigt nicht sein, finden Sie Tipps zu einer Umgehung in unserem Beitrag „Pflichtteil umgehen“.
Abfindung vereinbaren
Wie bereits erwähnt, kann der Verzichtende mit einer Abfindung für einen Pflichtteilsverzichtsvertrag entschädigt werden. Indem der Erblasser ihm einen Geldbetrag im Gegenzug zu dem Verzicht anbietet, kann er den Erben möglicherweise zu einer Einwilligung bewegen.
Insbesondere bei Berliner Testamenten können Abfindungszahlungen im Tausch gegen einen Pflichtteilsverzicht sinnvoll sein. Hat der Erbe mit dem Tod des ersten Elternteils kein Pflichtteilsrecht mehr, kann er den zweiten Elternteil nicht mit Zahlungsforderungen belasten.
Bei der Festlegung der Abfindungssumme kann sich grob an der Höhe des eigentlichen Pflichtteils orientiert werden. Die Summe kann allerdings individuell angepasst und im Pflichtteilsverzichtsvertrag festgehalten werden.
Unser Pflichtteilsrechner hilft Ihnen dabei, wenn Sie Ihren Pflichtteil berechnen wollen.
7. Kosten eines Pflichtteilsverzichtsvertrags
Die Kosten, die bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag anfallen, sind die notariellen Gebühren für die Beurkundung des Vertrags. Diese berechnen sich nach der doppelten Notargebühr und richten sich nach dem Vermögen, auf welches verzichtet wird.
Beispiele:
Vermögen
|
Gebührensatz
|
Gebühr
|
5.000 €
|
2,0
|
90 €
|
10.000 €
|
2,0
|
150 €
|
50.000 €
|
2,0
|
330 €
|
100.000 €
|
2,0
|
546 €
|
200.000 €
|
2,0
|
870 €
|
500.000 €
|
2,0
|
1870 €
|
8. Aufhebung & Änderung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags
Eine Änderung oder Aufhebung des Pflichtteilsverzichtsvertrags ist nur im Einverständnis beider Vertragsparteien möglich – also zu Lebzeiten des Erblassers. Dafür muss ein neuer schriftlicher Vertrag zwischen den Parteien beschlossen und notariell beurkundet werden.
9. Anfechtung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags
Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag kann – wie jeder andere Vertrag – angefochten werden. Dazu muss beispielsweise ein Irrtum, Gesetzesverstoß oder eine Drohung vorliegen, ohne die der Verzichtende dem Vertrag nicht zugestimmt hätte. Auch wenn wie bereits genannt eine Sittenwidrigkeit vorliegt, kann der Pflichtteilsverzichtsvertrag angefochten werden.
10. Vor- & Nachteile eines Pflichtteilsverzichtsvertrages
Durch einen Pflichtteilsverzichtsvertrag können Vor- und Nachteile für den Erblasser und seine Erben entstehen. Damit entschieden werden kann, ob die Vorteile überwiegen und deshalb ein Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen werden soll, muss der Einzelfall betrachtet werden – ein Anwalt kann Ihnen dabei helfen.
Vorteile:
✓ Verzicht gilt nur auf den Pflichtteil und nicht für das gesamte Erbe,
✓ beschränkter Verzicht möglich,
✓ Abfindungszahlung möglich,
✓ Erbverteilung schon zu Lebzeiten,
✓ keine Auswirkung auf die gesetzliche Erbfolge,
✓ Erbquote und Pflichtteile der anderen Erben wird nicht erhöht,
✓ Entlastung des länger lebenden Ehepartners.
Nachteile:
X Notarielle Beurkundungspflicht verursacht Zusatzkosten,
X Pflichtteilsverzichtsvertrag ist nur mit Einwilligung des Erblassers und des Erbens rechtskräftig,
X Änderungen sind möglich, können aber nur im Einvernehmen der beiden Vertragsparteien getroffen werden.
Sowohl Vor- als auch Nachteil:
- Wird der Pflichtteilsverzichtende im Testament enterbt, hat er keinerlei erbrechtliche Ansprüche mehr.
11. Tipp: kostenlose Ersteinschätzung im Erbrecht
Wollen Sie schon zu Lebzeiten Ihr Vermögen bestmöglich verteilen oder Ihren Ehepartner vor finanziellen Notlagen aufgrund von Pflichtteilsansprüchen bewahren, können Sie einen Pflichtteilsverzichtsvertrag mit den Erben abschließen. Ein Anwalt für Erbrecht kann Ihnen bei Fragen und der Gestaltung Ihres Vertrages helfen.
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