2. Rechte & Pflichten eines Vorerben
Weil ein Vorerbe nur Treuhänder der Erbschaft ist, hat der Vorerbe die Pflicht den Nachlass getrennt von seinem privaten Vermögen zu verwalten. Ein Vorerbe darf geerbtes Bar-Vermögen beispielsweise nicht auf sein eigenes Konto einzahlen oder geerbte Wertpapiere in sein eigenes Depot überführen.
Die saubere Trennung vom Vermögen des Vorerben und dem Nachlass stellt sicher, dass der Nacherbe bei der Übergabe exakt das Vermögen erhält, das ihm zusteht.
Ob der Vorerbe nur ein vorübergehender Verwalter oder selbst Profiteur der Erbschaft ist, bestimmt der Erblasser in seinem Testament: Er kann ihn darin entweder befreien oder beschränken.
Beschränkter Vorerbe
Ein beschränkter Vorerbe ist durch Auflagen und Verpflichtungen limitiert, die das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vorgibt.
Denn die wesentliche Aufgabe des beschränkten Vorerben ist es den Nachlass ordentlich zu verwalten, bis er an den Schlusserben übergeht.
Ein beschränkter Vorerbe darf den Nachlass in Grenzen selbst nutzen (z. B. eine Immobilie) und profitiert von möglichen Erträgen (z. B. von Zinsen oder Mieteinnahmen).
Er darf die Substanz des Erbes aber nicht schmälern oder zum Nachteil des Nacherben handeln. Er ist z. B. nicht befugt, Gegenstände aus dem Nachlass zu verschenken oder Wertpapiere risikoreich anzulegen.
Der Schlusserbe kann einmalig verlangen, dass der Vorerbe ein detailliertes Nachlassverzeichnis erstellt. Er hat zudem jederzeit das Recht, Auskunft über den aktuellen Bestand des Vermögens zu erhalten.
Handelt ein beschränkter Vorerbe zum Nachteil des Schlusserben, kann ihm die Nachlassverwaltung entzogen und Schadensersatz fällig werden.
Befreiter Vorerbe
Ein befreiter Vorerbe hat weitestgehend freie Hand und darf ohne Zustimmung des Schlusserben entscheiden, was mit dem Nachlass passiert.
Er ist nicht nur vorübergehender Verwalter des Erbes, sondern selbst Profiteur und darf Mittel des Nachlasses für sich verbrauchen. Es kann also passieren, dass der Schlusserbe ein deutlich kleineres Vermögen erhält.
Trotz einer weitreichenden Verfügungsgewalt über den Nachlass ist auch eine befreite Vorerbschaft mit Pflichten gegenüber dem Schlusserben verbunden.
Der befreite Vorerbe muss
- Nachlassverbindlichkeiten und Beerdigungskosten des Erblassers tragen.
- auf Wunsch des Schlusserben ein Nachlassverzeichnis anfertigen.
- Schadensersatz leisten, wenn er Nachlassgegenstände verschenkt oder den Schlusserben bewusst benachteiligt.
3. Wann ist eine Vorerbschaft sinnvoll?
Es gibt mehrere Szenarien, in denen eine Vorerben-Regelung interessant sein kann.
Eine Vorerbschaft ermöglicht dem Erblasser:
- Personen vom Nachlass auszuschließen (z. B. den Ex-Ehepartner)
- Das Erbe mehr als einer Generation zu hinterlassen
- Noch nicht geborene Nachkommen zu bedenken
- Den Nacherben zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen
- Den Nachlass vor unerwünschtem Zugriff durch den Staat oder vor Gläubigern zu schützen
- Den Nachlass sinnvoll verwalten zu lassen, falls der Nacherbe noch nicht reif genug ist
Ehegatten mit Kindern
Das Ehegattentestament – auch Berliner Testament genannt – ist der gemeinschaftliche letzte Wille von Ehepaaren. Die Ehe- oder Lebenspartner setzen sich darin gegenseitig als Vorerben ein.
Stirbt einer der beiden, sichert das Vermögen den länger Lebenden ab. Wenn auch der zweite Partner stirbt, geht der Nachlass an die Schlusserben über – meist sind das die gemeinsamen Kinder.
Eine Pflichtteilsstrafklausel im Testament verhindert, dass die Nachkommen ihren Pflichtteil bereits mit dem Tod des ersten Ehepartners einfordern. Ansonsten könnte es passieren, dass der länger lebende Partner beispielsweise eine Immobilie verkaufen muss, um die pflichtteilsberechtigten Kinder auszuzahlen.
Patchwork-Familie mit Kindern
Bringen Partner jeweils eigene Kinder in eine Patchwork-Familie ein, lässt sich der Nachlass durch eine Variante des Berliner Testaments regeln. Die Partner setzen sich dazu ebenfalls gegenseitig als Vorerben ein.
Durch die Auswahl der Schlusserben bestimmen sie, ob entweder nur die eigenen Nachkommen erben oder aber alle Kinder der Familie.
Geschiedene Ehepaare mit Kindern
Ein geschiedener Ehepartner hat keinen gesetzlichen Erbanspruch mehr. Wenn es gemeinsame Kinder gibt, könnte er über Umwege aber trotzdem vom Vermögen des Ex-Partners profitieren:
- Stirbt ein Elternteil, geht das alleinige Sorgerecht für das Kind an den überlebenden Elternteil über. Er hat damit auch das Recht zur Vermögensverwaltung, bis das Kind volljährig ist.
- Erbt der gemeinsame, kinderlose Nachkomme und stirbt vor dem Ex-Partner des Erblassers, geht der Nachlass automatisch an den überlebenden Elternteil.
Der geschiedene Ehepartner hat keinen Zugriff auf den Nachlass, wenn das gemeinsame Kind als Vorerbe und eine andere Person als Nacherbe eingesetzt wird.
Das Erbe wird zum Sondervermögen, das der Vorerbe separat behandeln muss. Das Kind kann es zwar nutzen, aber nicht darüber verfügen, es also weder an den überlebenden Elternteil verschenken noch im Todesfall an ihn weitervererben.
Behinderter Erbe
Das Behindertentestament stellt sicher, dass ein behindertes oder pflegebedürftiges Familienmitglied auch nach dem Tod des Erblassers (im Regelfall nach dem Tod der Eltern) finanziell abgesichert ist.
Häufig wird die Pflege eines schwerbehinderten Menschen vom Staat bezuschusst. Wird diese Person Erbe, fordert der Staat für gewöhnlich Teile oder auch den kompletten Nachlass als Ausgleichszahlung ein.
Wird ein behinderter Mensch als Vorerbe eingesetzt, geht das Vermögen nicht auf ihn über. Deshalb hat auch der Staat keinen Zugriff darauf.