Ein Strafverteidiger hat mit Kenntnis über ein Ermittlungsverfahren hingegen ein umfassendes Akteneinsichtsrecht. Er muss nicht persönlich bei der Behörde zur Einsicht erscheinen, sondern kann sich die Ermittlungsakten in seine Kanzlei schicken lassen und Fotokopien von der Akte anfertigen.
Einem anwaltlichen Antrag auf Einsicht der Akten im Strafverfahren wird stattgegeben, wenn dadurch die Aufklärung des Falles nicht gefährdet wird.
Eine Gefährdung der Aufklärung könnte beispielsweise vorliegen, wenn
- der Überraschungseffekt einer Ermittlungsmaßnahme wie einer Hausdurchsuchung unterbunden wird.
- die Beeinflussung der Ermittlungen z. B. durch die Vernichtung von Beweismitteln oder Beeinflussung von Zeugen zu erwarten ist.
Nach Abschluss eines Strafverfahrens kann ein Strafverteidiger zudem bei folgenden Anlässen Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen:
- Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens
- Anträge im Bewährungsverfahren
- Antrag auf vorzeitige Haftentlassung
- Gnadengesuche
Akteneinsicht für Geschädigte bzw. Nebenkläger
Das Recht auf Einsicht in die Ermittlungsakten für den Geschädigten bzw. Nebenkläger oder dessen Anwalt wird sehr restriktiv gehandhabt. Das liegt daran, dass eine Ermittlungsakte detaillierte Informationen zu Sachverhalten vermittelt, zu denen der Geschädigte aus seiner Erinnerung aussagen soll.
Der durch die Akten vermittelte Kenntnisstand könnte die persönlichen Erinnerungen des Geschädigten überlagern, die Zeugenaussage beeinflussen und den Untersuchungszweck gefährden.
Aus diesen Gründen wird dem Geschädigten bzw. dessen Anwalt nur bei einem berechtigten Interesse Akteneinsicht bei einem Strafverfahren gewährt.
Von einem solchen Interesse ist in den folgenden Fällen auszugehen:
- Die Einsicht in die Ermittlungsakten soll die Frage klären, ob eine Beschwerde oder ein Antrag auf Klageerzwingung Aussicht auf Erfolg hat.
- Die Akteneinsicht im Strafverfahren soll klären, ob und in welchem Umfang der Geschädigte zivilrechtliche Ansprüche geltend machen kann.
- Die Einsicht der Akten trägt dazu bei, zivilrechtliche Ansprüche abzuwehren.
Akteneinsicht für Dritte
Auch nicht am Strafverfahren beteiligte Privatpersonen oder private Stellen haben ein Recht auf Akteneinsicht im Strafverfahren. Dieses beschränkt sich allerdings gemäß § 475 StPO auf Auskünfte und erfordert ebenfalls ein berechtigtes Interesse.
Die Einsicht in die Akten ist zu verwehren, wenn schutzwürdige Interessen von Betroffenen oder gesetzliche Gründe entgegenstehen.
Daneben haben auch staatliche Behörden ein Recht auf Einsicht.
Das sind:
- Andere Gerichte & Staatsanwaltschaften
- Nachrichtendienste
- Bundesnachrichtendienst
- Militärischer Abschirmdienst
- Bundesamt für Verfassungsschutz
- Landesverfassungsschutz
Finanzbehörden bekommen auf Antrag ebenfalls Einsicht in die Akten, die dem Gericht vorliegen. Außerdem dürfen diese beschlagnahmte oder sichergestellte Gegenstände besichtigen.
3. Kosten & Gebühren
Beantragen Sie in einem Strafverfahren ohne Anwalt Einsicht in die Ermittlungsakten, müssen Sie mit Gebühren rechnen. Diese können je nach Umfang der Akte verhältnismäßig hoch ausfallen.
Folgende Gebühren fallen an:
- Kosten für die Einsicht: 12,00 € (bei elektronischer Übermittlung: 5,00 €)
- Kosten für Kopien: 0,50 € je Kopie für 50 Seiten, ab 51 Seiten EUR 0,15 € je Seite
Entscheiden Sie sich für die Hinzuziehung eines Anwalts, um bei einem Strafverfahren die Einsicht in die Akten schnell und unkompliziert durchzusetzen und die Ermittlungsakten umfassend bewerten zu lassen, ist auch mit Anwaltskosten zu rechnen. In der Regel fallen dann keine Kosten für Kopien an.
Anwaltskosten werden auf Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) bestimmt und sind abhängig von den konkreten Leistungen des Anwalts und dem Streitwert. Dieser richtet sich nach der Schwere der Tatvorwürfe und der zu erwartenden Strafe – je schwerer die Tat, desto höher der Streitwert.
4. Wie lange dauert die Akteneinsicht?
Wie lange es vom Antrag auf Einsicht in die Akten im Strafverfahren bis zur tatsächlichen Einsicht in die Ermittlungsakten dauert, lässt sich nicht verbindlich sagen. Dies liegt daran, dass der Gesetzgeber hierzu keine konkreten Angaben macht und das genaue Prozedere den Ermittlungsbehörden überlässt.
Daneben hängt die Dauer der Umsetzung der Einsicht von u. a. folgenden Faktoren ab, die je Strafverfahren stark variieren können:
- Umfang & Komplexität des Strafverfahrens
- Anzahl der Fälle
- Anzahl der Beschuldigten
- Anzahl der Rechtsanwälte, die Einsicht beantragen
- Etwaige Nachermittlungen durch die Staatsanwaltschaft
Wird dem Antrag stattgegeben, so hat ein Strafverteidiger mit Übergabe der Ermittlungsakten 4 Wochen Zeit für die Einsicht in die Ermittlungsakten. Beschuldigte ohne Anwalt können die Ermittlungsakten bei der Ermittlungsbehörde oder der örtlichen Polizeidienststelle einsehen. Hierfür sind genaue Terminabsprachen notwendig.
Zeitliche Verzögerungen bei der Prüfung des Antrags auf Einsicht oder der Bereitstellung der Ermittlungsakten gehen nicht zu Lasten des Beschuldigten. Vielmehr kann sich dies sogar strafmildernd auswirken.
5. Wann besteht unbeschränkte Akteneinsicht?
Während die Rechte auf Akteneinsicht im Strafverfahren mehr oder minder beschränkt sein können, kommt es unter bestimmten Voraussetzungen zu einer uneingeschränkten Einsicht in die Akten.
Unbeschränkte Akteneinsicht bei Untersuchungshaft & Ermittlungsende
Kommt es zur Verhängung von Untersuchungshaft, sind dem Strafverteidiger des Beschuldigten laut § 147 StPO die wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen. Auf dieser Grundlage kann ein Anwalt die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft beurteilen.
Dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, ist kein hinreichender Grund, um die Akteneinsicht bei einem Strafverfahren zu verwehren.
Wird die Untersuchungshaft vollzogen oder die Ermittlungen abgeschlossen, hat der Anwalt eines Beschuldigten ein Recht auf uneingeschränkte Akteneinsicht.
Uneingeschränkte Akteneinsicht durch die neue E-Akte?
Mit dem E-Government-Gesetz (EGovG) sind Bundesbehörden ab dem 01.01.2020 verpflichtet, die elektronische Aktenführung umzustellen. Die Einsicht in diese E-Akten erfolgt dann über ein bundesweites Akteneinsichtsportal.
Davon sind auch die Ermittlungsakten in einem Strafverfahren betroffen. Gibt die Staatsanwaltschaft einem Antrag auf Einsicht in die Ermittlungsakten statt, kann deren Inhalt über das Portal eingesehen werden.
Für das Recht auf Akteneinsicht von Beschuldigten und Geschädigten bedeutet das ab 2020 konkret:
- Beschuldigte ohne Anwalt bekommen ein eigenes Einsichtsrecht zugestanden, da der Hauptgrund für eine Einschränkung der Akteneinsicht – die Gefahr der Manipulation der Ermittlungsakte – bei einer E-Akte wegfällt.
- Geschädigte und Privatkläger bekommen ebenfalls ein eigenes Akteneinsichtsrecht und sind für eine Einsicht in Ermittlungsakten nicht mehr auf einen Anwalt angewiesen. Dadurch soll eine Benachteiligung gegenüber Beschuldigten ausgeschlossen werden.
6. So erreichen Sie Akteneinsicht
Grundsätzlich kann jeder Beschuldigte oder Geschädigte einen Antrag auf Einsicht in die Ermittlungsakten stellen. Allerdings kann bei eigenständiger Beantragung das Risiko bestehen, dass Ihnen die Ermittlungsbehörden die Akteneinsicht im Strafverfahren verweigern oder Ihnen nur einen Teil der Ermittlungsergebnisse zugänglich machen.
Anwaltliche Unterstützung kann deswegen hilfreich sein. Ein Anwalt kann Ihr Recht auf Akteneinsicht schnell und umfassend durchsetzen. Er stellt die richtige Interpretation der Ermittlungsergebnisse sicher, auf deren Grundlage er eine effektive Verteidigungsstrategie entwickelt oder den Tatvorwurf entkräftet.
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