9. Akteneinsichtsrechts für Verletzte, Behörden und Dritte
Das Recht auf Einsicht in Ermittlungsakten steht nicht nur Beschuldigten und deren Verteidigern zu. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Verletzte, Behörden und sogar Dritte Einsicht beantragen.
Akteneinsicht für Verletzte
Das Recht auf Einsicht in die Ermittlungsakten für den Verletzten oder dessen Anwalt wird jedoch sehr restriktiv gehandhabt. Das liegt insbesondere daran, dass eine Ermittlungsakte detaillierte Informationen zu Sachverhalten vermittelt, zu denen der Geschädigte aus seiner Erinnerung aussagen soll.
Der durch die Akten vermittelte Kenntnisstand könnte die persönlichen Erinnerungen des Geschädigten überlagern, die Zeugenaussage beeinflussen und den Untersuchungszweck gefährden.
Besonders in Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, kann das Gericht durch eine vorherige Akteneinsicht befürchten, dass die Wahrheitsfindung beeinträchtigt wird. In solchen Situationen hat das Gericht deshalb kaum noch Spielraum und wird die Einsicht regelmäßig verweigern. Der Hintergrund ist, dass ein Zeuge nicht wissen soll, was andere bereits ausgesagt haben. So soll verhindert werden, dass er seine eigene Aussage bewusst oder unbewusst anpasst.
Akteneinsicht wird dem Geschädigten bzw. seinem Anwalt daher nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses gewährt. Ein solches Interesse liegt insbesondere in folgenden Konstellationen vor:
- wenn die Akteneinsicht klären soll, ob eine Beschwerde oder ein Antrag auf Klageerzwingung Aussicht auf Erfolg hat,
- wenn die Akteneinsicht erforderlich ist, um zu prüfen, ob und in welchem Umfang zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden können,
- wenn die Kenntnis der Akten notwendig ist, um sich gegen zivilrechtliche Ansprüche zur Wehr zu setzen.
Der Verletzte muss den mit der Akteneinsicht verfolgten Zweck darlegen und erläutern, weshalb die Einsichtnahme hierfür erforderlich ist.
Akteneinsicht für Behörden und Dritte
Nicht nur Verfahrensbeteiligte, sondern auch andere Stellen können Einsicht in Strafakten erhalten. Gerichte, Staatsanwaltschaften, Polizei und Finanzbehörden dürfen Akten anfordern, wenn dies zur Wahrung der Rechtspflege erforderlich ist – etwa wenn ein Zivilgericht zur Entscheidung über einen Fall auf die Ergebnisse eines Strafverfahrens angewiesen ist. Auch Nachrichtendienste haben Einsichtsrechte, diese ergeben sich jedoch aus speziellen Sicherheitsgesetzen und nicht aus der StPO.
Darüber hinaus können Dritte nach § 475 StPO Akteneinsicht beantragen, sofern sie ein berechtigtes Interesse nachweisen. Dies betrifft beispielsweise Insolvenzverwalter, Arbeitgeber des Beschuldigten, Versicherungen, Verbände oder ausländische Behörden. Die Einsicht ist jedoch ausgeschlossen, wenn schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen oder gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.