1. Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil sichert nahen Verwandten im Erbfall einen Teil des Erbes zu, wenn der Erblasser sie in seinem Testament nicht bedacht hat. Dadurch soll verhindert werden, dass nahe Angehörige gänzlich vom Erbe ausgeschlossen werden.
Um einen Pflichtteilanspruch geltend machen zu können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Welche das sind und was weiterhin zu beachten ist, erfahren Sie im Beitrag „Pflichtteil einfordern“.
2. Lässt sich der Pflichtteil zu Lebzeiten einfordern?
Grundsätzlich lässt sich der Pflichtteil zu Lebzeiten nicht einfordern, da der Pflichtteilsanspruch ausdrücklich nur im Erbfall eintritt. Wenn Sie bereits zu Lebzeiten einen Teil des Erbes eines nahen Verwandten beanspruchen wollen, sind Sie auf dessen Mithilfe angewiesen. Denkbar wäre hier beispielsweise ein Pflichtteilsverzicht.
3. Den Pflichtteil zu Lebzeiten durch Pflichtteilsverzicht erlangen
Beim Pflichtteilsverzicht erklärt sich der Pflichtteilsberechtigte bereit, bei Erbeintritt auf seinen Pflichtteilsanspruch zu verzichten. Als Gegenleistung erhält er dafür eine Zahlung als Abfindung. Die Höhe der Abfindung hängt dabei vom Verhandlungsgeschick des Pflichtteilsberechtigten ab. Als Richtwert kann jedoch die Höhe des gesetzlich vorgesehenen Pflichtteilsanspruchs herangezogen werden. Der Pflichtteilsverzicht muss jedoch von beiden Parteien gewollt sein. Stimmt diesem nur eine Partei zu, so kommt der Vertrag, welcher zwingend von einem Notar beglaubigt werden muss, nicht zustande.
Wird auf diese Weise der Pflichtteil zu Lebzeiten eingefordert, so können sich sowohl Vorteile für den künftigen Erblasser als auch für den eigentlich Pflichtteilsberechtigten ergeben. Der Pflichtteilsberechtigte erhält einen Teil des Erbes bereits zu Lebzeiten des Verwandten. Der künftige Erblasser kann nach Belieben seinen Nachlass regeln, ohne auf gesetzliche Pflichtteilsansprüche achten zu müssen.
Das Wichtigste im Überblick:
- Beide Parteien müssen mit dem Pflichtteilsverzicht einverstanden sein.
- Der Pflichtteilsverzicht muss zwingend vom Notar beglaubigt werden.
- Für den Verzicht auf seinen Pflichtteilsanspruch erhält der ehemals Pflichtteilsberechtigte eine Abfindung.
4. Den Pflichtteil zu Lebzeiten durch Schenkung erlangen
Neben dem Pflichtteilsverzicht steht Ihnen noch eine weitere Alternative zur Verfügung – die Schenkung. Durch eine Schenkung vom künftigen Erblasser können Sie Ihren Pflichtteil oder zumindest einen Teil davon bereits zu Lebzeiten erlangen. Zu beachten ist jedoch, dass die Zuwendung des künftigen Erblassers in Form einer Schenkung auf Ihren Pflichtteilsanspruch angerechnet werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Erblasser mit dem Geldgeschenk anordnet, dass der Beschenkte die finanzielle Zuwendung auf seinen Pflichtteilsanspruch, der im Erbfall eintritt, anzurechnen hat. Demzufolge wird der Pflichtteil durch eine Schenkung zu Lebzeiten geschmälert. Auch hier gilt: Die Schenkung zu Lebzeiten darf nicht unter Zwang erfolgen.
5. Anrechnung von Schenkungen auf den Pflichtteil
Die Anrechnung der Schenkung auf den Pflichtteil wird in 3 Schritten vollzogen:
- Wert der anrechnungspflichtigen Zuwendung dem Nachlass des Erblassers hinrechnen. Das fiktiv erhöhte Erbe dient als Berechnungsgrundlage für den Pflichtteil.
- Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten berechnen. Dieser beträgt regelmäßig die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
- Nachdem die Höhe des Pflichtteils bestimmt wurde, muss von diesem noch der Wert der Zuwendung abgezogen werden. Der sich so ergebende Wert ist dann der restliche Pflichtteil, den der Pflichtteilsberechtigte trotz Schenkung zu Lebzeiten noch verlangen kann.