1. Pflichtteil umgehen mit einem geringen Erbanteil
Will ein Erblasser den Pflichtteil umgehen, erscheint es auf den ersten Blick plausibel, dem zu Enterbenden nur einen sehr geringen Anteil am Erbe zu vermachen. Der Pflichtteil greift nämlich nur bei Enterbungen und der Berechtigte hätte auf Grund seines – wenn auch geringen Erbes – keine Pflichtteilsansprüche.
Doch in diesem Fall sichert § 2305 BGB den Pflichtteilsberechtigten ab. Dieser kann laut Gesetz zwar keinen Pflichtteil geltend machen, hat allerdings Anspruch auf den Zusatzpflichtteil.
Wird einem Pflichtteilsberechtigtem also ein Erbe vermacht, das weniger beinhaltet als der Pflichtteil, besteht der Anspruch auf Auszahlung des Zusatzpflichtteils durch die anderen Erben. Dieser beträgt genau so viel, wie zum eigentlichen Pflichtteil fehlt.
Wollen Sie den Pflichtteil umgehen, ist das Herabsetzen des Erbanteils also keine Option.
2. So können Sie den Pflichtteil umgehen
Pflichtteilsentzug
Laut § 2333 BGB gibt es bestimmte Voraussetzungen, unter denen Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Anspruch vollkommen entziehen können. Grundsätzlich muss hierfür ein schuldhaftes Vergehen gegenüber dem Erblasser vorliegen – etwa ein schweres vorsätzliches Vergehen oder das Trachten nach dessen Tod.
Dazu gehören:
- dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben zu trachten,
- sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der eben genannten Personen schuldig zu machen,
- die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig zu verletzen oder
- wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt worden zu sein, wodurch die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.
Bei Vorliegen einer dieser Sachverhalte muss der Erblasser den Pflichtteilsentzug im Testament anordnen und vor allem die Gründe für diesen Schritt ausführlich darlegen. Wollen Sie einen Entzug geltend machen und damit den Pflichtteil umgehen, muss der angegebene Entzugsgrund deshalb bereits vor Erstellung des Testaments bestanden haben.
Ein Pflichtteilsentzug kann laut § 2336 BGB und § 2337 BGB wieder aufgehoben werden, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten verziehen oder dieser einen Lebenswandel vollzogen hat, der eine dauerhafte Besserung bedeutet.
Schenkung zu Lebzeiten
Wollen Erblasser den Pflichtteil umgehen, greifen sie möglicherweise auf Schenkungen zu Lebzeiten zurück – damit soll die Erbmasse und folglich der Pflichtteil verringert werden. Das ist allerdings aufgrund des sogenannten Pflichtteilergänzungsanspruchs nur bedingt möglich. Dieser bestimmt, dass alle Schenkungen, die bis zu 10 Jahre vor dem Erbfall getätigt wurden, zum Nachlass addiert werden. Das heißt, dass Schenkungen mit in die Berechnung des Pflichtteils eingehen und den Pflichtteilsanspruch erhöhen. Dabei sinkt der anzurechnende Wert der Schenkung jährlich um 10 % – je eher Sie also eine Schenkung vollziehen, desto weniger muss der Erbe an Pflichtteilsberechtigte herausgeben.
Es gibt jedoch einige Sonderregelungen, die das Abschmelzen der Schenkung hemmen. Sichern Sie sich beispielsweise ein Nießbrauchrecht an einer verschenkten Immobilie, gilt die 10-Jahres-Frist nicht. Der Pflichtteilsberechtigte kann deshalb auch nach 10 Jahren oder später Ansprüche geltend machen.
Außerdem gibt es eine Sonderregelung für Ehegatten zugunsten der Pflichtteilsberechtigten: Wird die Ehe durch Tod aufgelöst, sind alle Schenkungen, die der Ehepartner während der gesamten Ehezeit gemacht hat, ergänzungspflichtig – ganz egal, ob die Schenkung länger als 10 Jahre her ist.
Wollen Sie sich weiter über Schenkungen zu Lebzeiten informieren, lesen Sie unseren Beitrag Vorweggenommene Erbfolge (vererben zu Lebzeiten) und Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Verkauf gegen Leibrente
Wollen Sie den Pflichtteil umgehen und auch Ergänzungsansprüche vermeiden, können Sie einzelne Vermögensgegenstände – beispielsweise eine Immobilie – gegen eine sogenannte Leibrente an Verwandte verkaufen.
Die Leibrente muss in regelmäßig wiederholten Abständen und auf Lebenszeit des Verkäufers geleistet werden. Weil die Immobilie nicht verschenkt, sondern verkauft wurde, entstehen für Pflichtteilsberechtigte keine Ergänzungsansprüche.
Pflichtteilsverzicht aushandeln
Wollen Sie verhindern, dass der Pflichtteilsberechtigte bei einem Erbfall einen Pflichtteilsanspruch geltend machen kann, können Sie einen Pflichtteilsverzicht bei einem Notar aushandeln.
Ein solcher Vertrag bestimmt, dass der Berechtigte auf seinen Pflichtteil verzichtet – im Gegenzug muss der Erblasser allerdings eine sofortige Abfindungszahlung veranlassen. Wollen Sie den im Erbfall fälligen Pflichtteil umgehen, können Sie den Berechtigten also noch zu Lebzeiten und mit dessen Einverständnis entschädigen.
Vermögen ins Ausland verlagern
Eine Verlagerung des Vermögens ins Ausland ist eine weitere Alternative, wie Sie den Pflichtteil umgehen können. Zum Beispiel können Immobilien im Ausland gekauft werden, um die Berechnungsgrundlage für den Pflichtteil zu schmälern. Dabei gilt aber dennoch oftmals das deutsche Erbrecht – nur manche Länder beanspruchen eine Geltung des eigenen Erbrechts. Besitzen Sie beispielsweise ein Haus in den USA, kann es zu einer Nachlassspaltung kommen, die auch Konsequenzen für den Pflichtteil hat.
Eine wahllose Umlegung des Vermögens wäre wenig zielführend. Stattdessen können Sie die verschiedenen Erbrechte vergleichen und das Land mit dem für Sie vorteilhaftesten Recht für eine Verlagerung auswählen.
Wollen Sie den Pflichtteil umgehen und interessieren Sie sich für diese Form, kann Ihnen ein advocado Partner-Anwalt bei der Ausgestaltung helfen. Der Anwalt für Erbrecht kontaktiert Sie für eine kostenlose Ersteinschätzung zu Ihrem Anliegen.