Nachehelicher Unterhalt – Voraussetzungen, Anspruch, Berechnung
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Lesezeit 9 min

Nachehelicher Unterhalt – Voraussetzungen, Anspruch, Berechnung

Nach einer Scheidung steht dem schlechten verdienenden Ehepartner ggf. nachehelicher Unterhalt zu. Dies ist u. a. bei unverschuldeter Erwerbslosigkeit, Krankheit oder der Betreuung eines gemeinsamen Kindes der Fall. Unter bestimmten Voraussetzungen lässt sich der Unterhalt reduzieren oder ganz umgehen.

Erik Münnich
Beitrag von Erik Münnich
Redakteur für Rechtsthemen
Aktualisiert am
Das Wichtigste in Kürze:
  • Mit der rechtskräftigen Scheidung besteht ein möglicher Anspruch auf nachehelichen Unterhalt.
  • Dies ist u. a. der Fall bei Krankheit, unverschuldeter Erwerbslosigkeit oder der Betreuung eines gemeinsamen Kindes.
  • Einen solchen Unterhaltsanspruch müssen Sie begründen und die angeführten Gründe nachweisen.
  • Die Höhe des Unterhalts berechnet sich nach den Lebensumständen und den Einkommensverhältnissen der Eheleute.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie den Scheidungsunterhalt umgehen oder zumindest reduzieren.

1. Was ist nachehelicher Unterhalt?

Steht eine Trennung oder gar eine Scheidung bevor, kommt es nicht selten zum Streit um den Unterhalt. Denn Unterhaltsfragen betreffen nicht nur die gemeinsamen Kinder, sondern auch die Eheleute untereinander.

Innerhalb und nach einer Ehe gibt es 3 Formen des Ehegattenunterhalts:

  • Familienunterhalt: Innerhalb der Ehe müssen beide Ehepartner auf die eine oder andere Weise zum Unterhalt der Familie beitragen. Dafür bedarf es nicht unbedingt einer finanziellen Unterstützung. Den Beitrag können Sie auch in Form der Haushaltsführung oder Kinderversorgung erbringen.
  • Trennungsunterhalt: Der Trennungsunterhalt beschreibt Ansprüche des einen Partners in der Zeit zwischen Trennung und rechtskräftiger Scheidung.
  • Nachehelicher Unterhalt: Der nacheheliche Unterhalt setzt nach vollzogener Scheidung ein und ist umgangssprachlich auch als „Scheidungsunterhalt“ bekannt. Den Zeitpunkt, ab dem die Scheidung rechtskräftig ist, nennt man Einsatzzeitpunkt. Dieser ist entscheidend für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen.

Eine besondere Form des nachehelichen Unterhalts ist der Aufstockungsunterhalt. Diese Zusatzleistung dient dazu, den gewohnten Lebensstandard des geringverdienenden Ehepartners auch nach der Scheidung aufrechtzuerhalten. Sie ist befristet und entfällt, wenn schon eine andere Unterhaltsform in Anspruch genommen wird.

Was ist der Unterschied zum Trennungsunterhalt?

Der Anspruch auf Trennungsunterhalt setzt voraus, dass die Eheleute noch nicht rechtskräftig geschieden sind, aber bereits eine Trennung von „Bett und Tisch“ vorliegt. Der Trennungsunterhalt stellt eine finanzielle Überbrückung des Trennungsjahres für den geringer verdienenden Ehepartner dar.

Während des Trennungsjahres müssen die Parteien nicht zwingend selbst für ihren Unterhalt aufkommen. Ist eine Scheidung vollzogen, gilt hingegen § 1569 BGB, wonach jeder Ehegatte grundsätzlich erst einmal selbst für seinen Unterhalt sorgen muss. Sollte sich eine der Parteien nach vollzogener Scheidung also bewusst nicht selbst um ihren Unterhalt bemühen, kann der Anspruch auf Scheidungsunterhalt entfallen.

2. Wann ist nachehelicher Unterhalt zu zahlen und wem steht er zu?

Laut §§ 1570 ff. BGB besteht ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach einer Scheidung bei folgenden Unterhaltstatbeständen:

  • Kindesbetreuung: Gibt es ein gemeinsames Kind, besteht ein Unterhaltsanspruch nach der Scheidung mindestens bis zum vollendeten 3. Lebensjahr.
  • Alter: Aufgrund fortgeschrittenen Alters kann eine der Parteien nicht mehr erwerbstätig werden und somit nicht für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen.
  • Krankheit: Im Falle einer Krankheit oder eines Gebrechens kann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unzumutbar sein. Auch in diesem Fall kann die Partei nicht für den eigenen Lebensunterhalt sorgen.
  • Erwerbslosigkeit: Auch bei unverschuldeter Erwerbslosigkeit kann unter Umständen ein Anspruch auf Scheidungsunterhalt bestehen.
  • Ausbildung: Hat eine Partei während oder aufgrund der Ehe keine Ausbildung aufgenommen oder diese nicht fertiggestellt, kann nun der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bestehen, um dies nachzuholen. Damit wird ein ehebedingter Nachteil aufgehoben.
  • Billigkeitsgründe: Daneben gibt es weitere Gründe, die im individuellen Einzelfall einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt begründen.

Schon die Formulierung dieser Gründe, die einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt legitimieren, machen deutlich: Es gibt durchaus Ermessensspielraum. Gerade die Billigkeitsgründe sind von Fall zu Fall verschieden und hängen von der Gesamtsituation ab.

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Verzicht auf nachehelichen Unterhalt

Sind sich die Ehepartner schon im Voraus darüber einig, dass sie keinen nachehelichen Unterhalt leisten möchten, können sie eine Verzichtsvereinbarung erstellen. Diese muss ein Notar beurkunden, damit sie auch vor Gericht wirksam ist.

Den vereinbarten Verzicht sehen Gerichte jedoch oft kritisch. Oftmals nehmen sie Sittenwidrigkeit an, wenn der Verzicht auf Kosten von unterhaltsverpflichteten Dritten (z. B. den Sozialhilfeträgern) geht und sich die Ehepartner bei Vereinbarung über diesen Umstand bewusst sind. In diesem Fall ist es möglich, dass das Gericht die Verzichtserklärung für nichtig erklärt.

3. Nachehelichen Unterhalt berechnen

Die Höhe des nachehelichen Unterhalts ist nicht pauschal zu benennen, da diese maßgeblich von den Lebensverhältnissen des Ehepaares abhängt. Grundsätzlich sind 2 Aspekte zu berücksichtigen:

  • Der Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Partners (inkl. Kleidung, Wohnraum, medizinische Versorgung etc.)
  • Die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne des Lebensstandards während der Ehe

Grundlage der konkreten Berechnung bildet das bereinigte Nettoeinkommen beider Eheleute oder nur des unterhaltspflichtigen Partners, wenn dieser während der Ehe allein berufstätig war.

Vom bereinigten Nettoeinkommen steht jeder Partei 1/7 für den eigenen Bedarf zu. Die restlichen 6/7 des Einkommens werden entweder zu gleichen Teilen unter den Parteien aufgeteilt oder der unterhaltsberechtigte Partner erhält 3/7 des Einkommens.

Beispiele aus der Praxis:

  1. Herr Müller hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3500 €. Frau Müller war nicht erwerbstätig. In der Folge beträgt die Differenz die vollen 3500 €, Herr Müller darf aber 1/7 Erwerbstätigenbonus in jedem Fall behalten. Es entsteht also ein Verhältnis von 4/7 (2000 €) für Herrn Müller und 3/7 (1500 €) für Frau Müller.
  2. Sind beide berufstätig, funktioniert das Beispiel wie folgt: Herr Müller bringt weiterhin 3500 € ein, Frau Müller 700 € durch ihren Nebenjob. Jeder behält nun 1/7 als Erwerbstätigenbonus. Es bleiben 3000 € und 600 € übrig. Das macht eine Differenz von 2400 €. Die Hälfte des Einkommens ihres Exmannes (1200 €) steht Frau Müller theoretisch zu. Da die 600 € ihres eigenen Verdienstes allerdings angerechnet werden, stehen ihr nur 600 € zu.

Auch die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Partners spielt eine Rolle. Diesem steht ein Selbstbehalt in Höhe von 1.200 €. Dieser soll den eigenen Lebensunterhalt sicherstellen und vermeiden, dass Sozialleistungen in Anspruch genommen werden müssen. Schließlich soll der eigene Lebensunterhalt durch den Unterhalt nicht gefährdet werden.

4. Wie lange besteht ein Anspruch auf Unterhalt nach der Scheidung?

Eine bestimmte Befristung für den Unterhaltsanspruch ist durch das BGB nicht festgelegt. Der Unterhaltsanspruch erlischt selbstverständlich, wenn die legitimierenden Gründe nicht mehr gegeben sind:

  1. Das gemeinsame Kind erreicht das 4. Lebensjahr.
  2. Die gesundheitliche Einschränkung der unterhaltsberechtigten Partei entfällt.
  3. Die unterhaltsberechtigte Partei schließt die berufliche Ausbildung ab.

Ein Ende des Scheidungsunterhalts ist ebenso erreicht, wenn eine der beiden Parteien verstirbt oder wenn der unterhaltsberechtigte Partner erneut heiratet.

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5. Lässt sich der Scheidungsunterhalt umgehen?

Genauso wie es Gründe und Umstände gibt, die den Anspruch auf Scheidungsunterhalt legitimieren, gibt es ebenfalls Situationen, in denen Sie einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt vermeiden oder herabsetzen können.

In § 1579 BGB finden Sie Kriterien, die den nachehelichen Unterhalt ausschließen oder mindern können:

  • Die Ehe hielt weniger als 2 Jahre.
  • Der unterhalsberechtigte Partner hat ein schweres Verbrechen begangen.
  • Der Unterhaltsberechtigte lebt in einer sogenannten verfestigten Lebensgemeinschaft.
  • Die Bedürftigkeit wurde mutwillig herbeigeführt.
  • Der Unterhaltsberechtigte hat das gemeinsame Vermögen mutwillig verschwendet.
  • Der Unterhaltsberechtigte hat während der Ehe seine Pflicht verletzt, zum Familienunterhalt beizutragen.
  • Der Unterhaltspflichtige hat sich schwerwiegend fehlverhalten (z. B. Untreue).

Außerdem ist zu prüfen, ob der unterhaltsberechtigte Partner die ermittelte Unterhaltssumme nicht selbst aufbringen kann und somit keinen Unterhaltsanspruch hat.

Sonderfall: Den nachehelichen Unterhalt durch eine Abfindung ersetzen

Um gegenseitige Ansprüche möglichst schnell zu klären und in Zukunft keinen Kontakt mehr halten zu müssen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich statt des Unterhalts auf eine einmalige Abfindung zu einigen. Eine solche Abfindung umfasst allerdings größere, oft 6-stellige Summen.

Vorteile einer Abfindung:

  • Mögliche Geldeinsparung für den Unterhaltspflichtigen
  • Zeiteinsparung aufgrund Verkürzung des Prozesses
  • Ausgleichszahlungen können in einem gewissen Grad als Werbungskosten geltend gemacht werden

Nachteile einer Abfindung:

  • Mögliche finanzielle Nachteile für Unterhaltsberechtigten
  • Geldverlust des Unterhaltspflichtigen im Falle einer schnellen Heirat der Gegenpartei
  • Steuerliche Nachteile

Eine einmalige Abfindung kann sich sowohl zum Vor- als auch zum Nachteil für die Beteiligten entwickeln, weshalb Sie alle Aspekte wohlüberlegt abwägen sollten.

Info:

Der Unterhaltspflichtige darf bis zu 13.805 € jährlich als Sonderausgaben steuerlich absetzen, wenn der Unterhaltsberechtigte dem zustimmt und die Unterhaltsleistungen voll versteuert. Anderenfalls ist die Absetzung von lediglich 7.680 € möglich. Bei einer einmaligen Abfindung erhöht sich dieser Betrag nicht, weshalb Sie nur einen geringen Teil steuerlich absetzen können, was dementsprechend Nachteile gegenüber einer konstanten Unterhaltszahlung mit sich bringt.

Wie kann mir ein Anwalt helfen?

Nicht immer läuft alles beim nachehelichen Unterhalt reibungslos: Verweigert z. B. der Unterhaltspflichtige den Unterhalt, hat nicht genügend finanzielle Mittel oder kommt es zum Streit über die tatsächlich Unterhaltssumme, kann ein Anwalt weiterhelfen.

Ein Anwalt kennt die Rechte und Pflichten zum nachehelichen Unterhalt und kann einen Unterhaltsanspruch eindeutig nachweisen sowie eine korrekte Berechnung durchführen. Zudem fungiert ein Anwalt als Vermittler zwischen den Ehepartnern und sorgt für einen möglichst reibungslosen Ablauf der Scheidung.

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6. FAQ zum nachehelichen Unterhalt

Wer eine gerichtlich bestätigte Unterhaltspflicht hat, diese aber nicht erfüllt und kein Geld bezahlt, riskiert ein Strafverfahren wegen der Verletzung der Unterhaltspflicht.

Wer Scheidungsunterhalt verlangt, muss auch nachweisen, dass dieser Anspruch rechtens ist – die unterhaltsberechtigte Person steht in diesem Fall in der Beweispflicht. Die Entscheidung über den möglichen Anspruch einer Unterhaltsleistung trifft am Ende ein Gericht.

Grundsätzlich gilt auch die Rente als Einkommen. Deshalb können Sie auch während der Rente einen Unterhaltsanspruch nach einer Scheidung geltend machen, solange alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

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Erik Münnich
Erik Münnich
Redakteur für Rechtsthemen
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Als Teil der juristischen Redaktion bei advocado steht Erik Münnich stetig im Austausch mit Anwälten und anderen Juristen, um Ihnen bei schwierigen Rechtsfragen oder -problemen die besten Lösungsansätze aufzuzeigen.
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