Grundsatzurteile und Beispiele
Eine Schenkung wird gemäß § 2325 BGB erst mit der Löschung des Nießbrauchs ausgelöst, woraufhin die Zehnjahresfrist beginnt. Dies begründet der BGH (Bundesgerichtshof) in seinem Urteil vom 27.04.1994 (Aktenzeichen IV ZR 132/93) – dem auch neuere Rechtsurteile folgen – damit, dass der geschenkte Gegenstand durch das erteilte Nießbrauchrecht noch nicht endgültig in das Eigentum des Beschenkten übergehe.
Beispiel: Der Erblasser schenkt seinem Sohn am 01.01.2010 sein Haus im Wert von 250.000,00 €, räumt sich aber ein Nießbrauchrecht ein. Am 01.05.2023 verstirbt der Erblasser, das Nießrecht wird somit gelöscht. Die Tochter des Erblassers wurde enterbt, daher hat sie Anspruch auf einen Pflichtteil sowie einen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Diese fordert sie mit Kenntnisnahme über den Tod des Erblassers am 02.05.2023 ein. Da der Abschmelzungsprozess der Schenkung erst am 01.05.2023 begann, hat sie den vollen Anspruch auf eine Pflichtteilsergänzung. Der volle Betrag von 250.000,00 € wird dem Ergänzungsanspruch also angerechnet.
Schenkungen zwischen Ehepartnern
Eine weitere Sonderregelung bei der Verjährung betrifft die Schenkung zwischen Ehepartnern. Hier beginnt die zehnjährige Frist erst mit der Auflösung der Ehe – z. B.
- beim Tod eines Ehepartners oder
- bei Scheidung.
In diesem Fall können auch jahrzehntelang vergangene Schenkungen noch auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch angerechnet werden. Ausgenommen davon sind gemäß § 2330 BGB sogenannte Anstandsschenkungen – z. B. Hochzeits- oder Geburtstagsgeschenke.
Beispiel: Ein Ehepaar erwirbt in jungen Jahren ein Haus. Beide Partner werden je zur Hälfte als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Bei der Testamentserstellung setzen sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein – die vier Kinder werden als Schlusserben eingesetzt. Nachdem der Ehemann verstorben ist, fordert eines der vier Kinder seinen Pflichtteil. Der Ehemann hatte seiner Frau 15 Jahre vor seinem Tod seinen Teil des Hauses unentgeltlich geschenkt. Obwohl die Schenkung mehr als 10 Jahre zurückliegt, kann das Kind noch Anspruch auf die Schenkung erheben und zusätzlich zum gesetzlichen Pflichtteil auch eine Pflichtteilsergänzung fordern.
5. Beweislast bei der Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
Der Pflichtteilsberechtigte ist übrigens immer in der Pflicht, eine Schenkung nachzuweisen – er trägt also die Beweislast. Mittels Urkunden oder Zeugen muss er beweisen können, dass tatsächlich Schenkungen durch den Erblasser getätigt wurden.
Die Beweislast für die Verjährungstatsachen liegt hingegen beim Antragsgegner – also dem Erben. Dieser muss plausibel beweisen, wann der Pflichtteilsberechtigte von Schenkungen erfahren hat bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erfahren können. Anhand der Ausführungen des Erben urteilt dann – sollte es soweit kommen – ein Gericht darüber, ob die Verjährung eingetreten ist oder der Antragssteller noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat.
6. Verjährung Pflichtteilsergänzungsanspruch: So kann ein Anwalt helfen
Bei der Einforderung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs müssen viele Fristen und Sonderregelungen beachtet werden. Wenn Sie – als Erbe oder Erblasser – unsicher über die Verjährung einer Schenkung sind oder Fragen bezüglich möglicher Vorgehensweisen haben, kann Ihnen ein Anwalt helfen.
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