1. Kann ich einen Vertrag anfechten?
Ja, jeder Vertrag ist anfechtbar – egal, ob Sie einen Kauf-, Werk-, Bau-, Aufhebungsvertrag oder Erbvertrag anfechten möchten. So können Sie sich ohne Zustimmung des Vertragsgegners aus einem Vertrag befreien.
Mit einer erfolgreichen Anfechtung können Sie einen Vertrag teilweise oder vollständig auflösen.
Dafür muss gemäß BGB (Bürgerlichem Gesetzbuch) einer der folgenden Anfechtungsgründe vorliegen:
- Inhaltsirrtum
- Erklärungsirrtum
- Eigenschaftsirrtum
- Arglistige Täuschung und Drohung
- Falsche Übermittlung der Vertragserklärung durch einen Stellvertreter
2. Anfechtungsgründe: Wann kann ich einen Vertrag anfechten?
Ob ein Vertrag anfechtbar ist, entscheiden die gesetzlichen Anfechtungsgründe (BGB §§ 119–124). Liegt einer der folgenden Anfechtungsgründe vor, können Sie Ihren Vertrag anfechten:
Inhaltsirrtum
Hat ein Vertragspartner etwas falsch verstanden, ist eine Vertragsanfechtung durchsetzbar, da ein Inhaltsirrtum vorliegt: Er willigt zwar in den Vertrag ein, aber irrt sich über den Sinn und die Bedeutung seiner Aussage oder Einwilligungserklärung.
Beispiele:
- Ein Café-Inhaber bestellt ein Dutzend Packungen Kaffee mit dem Glauben, ein Dutzend seien 6 Stück.
- Die Großeltern A und B möchten anlässlich des Wochenendbesuches ihrer Tochter für ihren Enkel einen Kinderwagen leihen. A hat von einer Freundin gehört, dass das Kinderfachgeschäft folgende Möglichkeit anbietet: „Kinderwaagen auch leihweise erhältlich.“ A bestellt bei diesem Geschäft einen Kinderwagen, bekommt aber eine Kinderwaage geliefert.
Erklärungsirrtum
Verschreibt, vergreift, verspricht oder vertippt sich ein Vertragspartner, lässt sich der Vertrag anfechten: Das Gewollte und das Erklärte stimmen nicht überein und es liegt ein Erklärungsirrtum vor.
Beispiele:
- Ein Verkäufer möchte sein Auto für 5.400 € verkaufen, verschreibt sich jedoch im Kaufvertrag und bietet seinen Wagen für 540 € an.
- X möchte in einem Onlineshop 10 Teller bestellen, vertippt sich jedoch und bestellt 1.000 Stück.
Eigenschaftsirrtum
Irrt sich ein Vertragspartner über eine sogenannte verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache oder Person bei der Abgabe seiner Willenserklärung, liegt ein Eigenschaftsirrtum vor und der Vertrag ist anfechtbar.
Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache sind z. B. Größe, Material, Herkunft, Herstellungs- und Baujahr.
Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person sind z. B. Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Alter, Sachkunde, Geschlecht oder Zahlungsfähigkeit.
Beispiele:
- Y verkauft Ihren Ring, von dem sie denkt, er sei aus Gold. Nach Abschluss des Kaufes stellt sich jedoch heraus, dass der Ring aus Messing ist.
- Die Leiterin eines Kindergartens stellt einen Bewerber ein, der angibt, zahlreiche qualifizierende Diplome zu haben. In Wirklichkeit liegen jedoch keinerlei der besagten Diplome vor.
Arglistige Täuschung und Drohung
Sie können einen Vertrag anfechten, wenn Sie in ihn eingewilligt haben, weil Sie getäuscht oder bedroht wurden.
Beispiele:
- Hat eine Ehefrau ihrem Mann wesentliche Vermögenswerte verschwiegen und damit getäuscht, kann der Ehemann den Ehevertrag anfechten.
- Der interessierte Käufer eines Autos droht dem Verkäufer mit Gewalt, wenn dieser sein Auto nicht günstiger verkauft.
Falsche Übermittlung der Vertragserklärung
Ein Vertrag kann auch über einen Stellvertreter geschlossen werden. Gibt dieser Vertragsinhalte falsch wieder, liegt eine falsche Übermittlung der Vertragserklärung vor und die Anfechtung des Vertrages ist möglich.