7. Welche Alternativen gibt es zum Erbe ausschlagen?
Da eine Erbausschlagung nicht immer nur Vorteile mit sich bringt, kann eine eingehende Betrachtung ihrer Alternativen sinnvoll sein. Welche das sind, lesen Sie hier.
Nachlassinsolvenz bei überschuldetem Nachlass
Eine Alternative zur Erbausschlagung ist die Nachlassinsolvenz. Mit ihrer Hilfe soll erreicht werden, dass der Erbe nicht mit seinem Privatvermögen für einen überschuldeten Nachlass haften muss – man spricht von einer Beschränkung der Erbenhaftung. Eine Nachlassinsolvenz kann jederzeit eingeleitet werden – auch wenn die Erbschaft bereits angenommen wurde.
Sinnvoll kann eine Nachlassinsolvenz dann sein, wenn der Nachlass Gegenstände von sentimentalem Wert beinhaltet – im Falle einer Erbausschlagung würde er diese ebenfalls verlieren. Mithilfe der Nachlassinsolvenz könnte er gewisse Nachlassgegenstände für sich erhalten.
Wenn der Erbe keinerlei sentimentale Verbindung zu den Nachlassgegenständen hat, sondern es ihm nur auf die Vermögenswerte ankommt, macht vielleicht eine Nachlassinsolvenz wenig Sinn – er hätte nach Abschluss des Verfahrens keinerlei Gewinn gemacht.
Ein Nachlassinsolvenzverfahren kann nur dann durchgeführt werden, wenn:
- der Nachlass zahlungsunfähig oder
- überschuldet ist.
Von Zahlungsunfähigkeit spricht man, wenn die bestehenden Zahlungsverpflichtungen vom Erben nicht erfüllt werden können. Wenn er selbst einen Antrag auf Nachlassinsolvenz stellt, genügt eine drohende Zahlungsunfähigkeit. Von Überschuldung ist die Rede, wenn der Nachlass alleine zur Begleichung aller Schulden nicht ausreicht.
Überschwerungseinrede
Eine weitere Alternative zur Erbausschlagung ist die Überschwerungseinrede gemäß §1992 BGB. Diese gibt dem Erben eines überschwerten Nachlasses die Möglichkeit, Vermächtnisse auf maximal die Nachlasshöhe zu beschränken.
Ein Nachlass gilt als überschwert, wenn der Nachlass durch zu großzügige Vermächtnisse und Auflagen überschuldet wurde. Dieser Fall tritt z. B. ein, wenn der Erblasser über ein Vermögen von nur 100.000 Euro verfügte, aber Vermächtnisse im Gesamtwert von 150.000 Euro angeordnet hat.
Nach Erhebung einer Überschwerungseinrede muss der Erbe nicht länger das Vermächtnis wie vom Erblasser gewünscht herausgeben. Stattdessen kann er die Herausgabe auf einen Teil des Nachlasses beschränken oder dem Vermächtnisnehmer eine entsprechende Abfindung zahlen. Wenn er den Gegenwert der noch vorhandenen Nachlassgegenstände auszahlt, entfällt der Herausgabeanspruch des Vermächtnisnehmers.
Ein weiterer Vorteil für den Erben ist – neben seiner Haftungsbeschränkung –, dass er bestimmte Nachlassgegenstände behalten kann.
Aufgebotsverfahren
Eine dritte Alternative zum Erbe ausschlagen ist das sogenannte Aufgebotsverfahren. Auf diesem Wege können bestimmte Urkunden für kraftlos erklärt oder unbekannte Personen von ihrer Rechtsposition ausgeschlossen werden.
Aufgeboten werden können:
- Grundpfandrechtsbriefe – z. B. Grundschuld- und Hypothekenbriefe –,
- Sparbücher,
- Grundpfandrechtsgläubiger oder
- Eigentümer eines Grundstücks.
Die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens muss beim zuständigen Amtsgericht schriftlich beantragt werden. Dieses macht das Aufgebot dann durch Aushang im Gericht und durch Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger öffentlich. Auch entsprechende Anzeigen in den Tageszeitungen sind möglich.
Die Veröffentlichung des Gerichts enthält mindestens folgende Angaben:
- Name des Antragsstellers,
- Aufforderung, die Ansprüche und Rechte beim Gericht anzumelden,
- Anmeldefrist – sechs Wochen oder länger – und
- Bezeichnung der Rechtsnachteile, die bei Nichtanmeldung entstehen können.
Meldet innerhalb der gerichtlich festgelegten Frist niemand Ansprüche oder Rechte auf die aufgebotene Position an, erlässt das Gericht einen Ausschließungsbeschluss. Das heißt, dass Urkunden für kraftlos oder Rechte für erloschen erklärt werden. Der Nachlass wird nicht länger mit ihnen belastet.
Haftungsbeschränkung durch Errichtung eines Inventars
Eine weitere Alternative zur Erbausschlagung ist die Errichtung eines Inventars – auf diese Weise kann die Haftung des Erben für bestehende Nachlassverbindlichkeiten beschränkt werden.
Gemäß § 1993 BGB kann der Erbe ein detailliertes Verzeichnis des Nachlasses erstellen – dafür muss er gemäß § 2002 BGB einen Notar hinzuziehen – und beim zuständigen Nachlassgericht einreichen.
Wurde das Inventar rechtzeitig und ordnungsgemäß errichtet, kann das Gericht gemäß § 2009 BGB zu Gunsten des Erben vermuten, dass nur die im Inventar aufgeführten Gegenstände zum Nachlass gehören und sonst keine. Dieser Umstand kann dann hilfreich sein, wenn ein Nachlassgläubiger Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Erben betreibt – dieser kann dann nachweisen, welche der ins Auge gefassten Vollstreckungsgegenstände zu seinem vollstreckungsfreien Privatvermögen gehören und welche zum der Vollstreckung unterworfenen Nachlass. Sein Privatvermögen wird so geschützt.
Nachlassverwaltung
Ebenfalls eine Alternative zur Erbausschlagung ist die Nachlassverwaltung. Als Sonderform der Nachlasspflegschaft hat sie eine Beschränkung der Erbenhaftung zum Ziel.
Eine Nachlassverwaltung muss vom Gericht angeordnet werden. Dafür bedarf es eines Antrags vom Erben oder einem der Nachlassgläubiger. Letzterem gibt das Gericht in der Regel nur statt, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Tilgung der Nachlassschulden durch den Umgang des Erben mit dem Nachlass oder dessen Vermögenslage in Gefahr ist.
Hat das Gericht dem Antrag auf Nachlassverwaltung stattgegeben, ernennt es einen Nachlassverwalter. Dessen Aufgaben sind die Verwaltung des Nachlasses sowie die Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten. Solange die Nachlassverwaltung Bestand hat, hat der Erbe weder das Recht zur selbstständigen Verwaltung noch die Verfügungsgewalt über einzelne Nachlassgegenstände. Das Erbe wird erst dann wieder an ihn herausgegeben, wenn die Regulierung der Schulden abgeschlossen ist.
Wenn eine Nachlassverwaltung beantragt wurde, haftet der Erbe nicht mit eigenem Vermögen für die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten.
Dürftigkeitseinrede
Eine letzte Möglichkeit, mit der die Erbausschlagung umgangen werden kann, ist die Dürftigkeitseinrede.
Wenn der Nachlass zu gering ist, um die mitunter hohen Verfahrenskosten für ein Nachlassinsolvenzverfahren oder eine Nachlassverwaltung decken zu können, lehnt das Gericht diese Maßnahmen ab. In diesem Fall hat der Erbe gemäß § 1990 BGB die Möglichkeit der Dürftigkeitseinrede. Das heißt, dass der Erbe die Auszahlung der Nachlassgläubiger verweigern kann, wenn der Nachlass dafür nicht ausreicht.
Will der Erbe Dürftigkeitseinrede erheben, steht er in der Beweispflicht – er muss glaubhaft machen können, dass der Nachlass nicht zur Befriedigung der Nachlassverbindlichkeiten ausreicht. Dafür reicht z. B. ein Gerichtsbeschluss, in welchem das Nachlassinsolvenzverfahren oder die Nachlassverwaltung abgelehnt worden sind.
8. Zusammenfassung: Vor- & Nachteile einer Erbausschlagung
Eine Erbausschlagung braucht keinesfalls überstürzt werden. Um Sie bei Ihrer Entscheidung zu unterstützen, haben wir Ihnen mögliche Vor- und Nachteile zusammengefasst.
Vorteile
✓ keine Haftungsübernahme für Erblasserschulden und Nachlassverbindlichkeiten sowie
✓ Schutz des Privatvermögens vor Vollstreckungsmaßnahmen durch Nachlassgläubiger.
Nachteile
X sämtliche Nachlassgegenstände gehen verloren – auch Erinnerungsstücke –,
X Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche entfallen unter Umständen,
X findet sich keine Person, die das Erbe annehmen möchte, fällt das Vermögen des Erblassers an den Staat.
9. Tipp: kostenlose Ersteinschätzung im Erbrecht
Wenn eine geliebte Person verstirbt und Sie Teile ihres Vermögens erhalten sollen, können Sie sich einen umfassenden Überblick über den Nachlass verschaffen. Nur so können Sie entscheiden, ob Sie das Erbe ausschlagen wollen. Ebenso sollten Sie sich mit möglichen Alternativen beschäftigen. Haben Sie Fragen oder konkrete Probleme zur Erbausschlagung, können diese in unserer kostenlosen Ersteinschätzung unverbindlich geklärt werden.